Von Tempeln und Hunden

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Wenn man in Kathmandu jemand nach dem Weg fragt, wird man immer an einem Tempel entlang gelotst. Dabei gibt es hier so viele, dass sich auch die Einheimischen nicht alle Namen merken können. Kathmandu gilt ja auch als Stadt der Tempel. Es gibt kaum eine Strasse, in der nicht entweder ein Tempel, ein Stupa (eine Art Grabhügel) oder zumindest ein klitzekleiner Altar steht. So zeigt sich im Alltag überall der hinduistische oder buddhistische Glaube.

Beeindruckend sind auch die von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichneten Tempelanlagen in Bhakatpur. Dorthin haben wir unseren ersten Ausflug unternommen und einen Einblick in die hiesige Kultur gewonnen.

Beim Eintritt bekommt man eine ordentliche Bescheinigung ausgehändigt und auch im Alltag sind die Nepalesen sehr bürokratisch. Wenn man beispielsweise ein Dokument mit einem blauen, statt schwarzen Stift unterschreibt, wird es von den Behörden nicht anerkannt und man muss alles von Neuem einreichen. Recht kompliziert wird hier alles dadurch, dass man vieles persönlich erledigen muss, da es keine funktionierende Post gibt oder (noch keine) Überweisungsscheine. So wird dann z.B. die Rechnung für’s Internet im hiesigen Büro des Providers oder die Miete direkt beim Vermieter in bar bezahlt.

Da hantiert man dann immer mit Riesensummen im tausender Bereich. Die Geldscheine sind übrigens recht leicht zu merken, denn die sind nach Art und Größe der einheimischen Wildtiere sortiert. So ziert den größten Schein, den Tausender (umgerechnet etwa 10 Euro), ein Elefant. Dann kommt der Fünfhunderter mit dem Königstiger, der Hunderter mit einem Nashorn und – mein Lieblingsschein – der Fünfziger mit dem Schneeleoparden. Danach kommen die kleineren Tiere wie Antilopen oder Yaks, eine in Zentralasien verbreitete Rinderart. Auf der Rückseite ist auf allen der Mount Everest abgebildet.

Ich wünschte, ich könnte euch die Aussicht zeigen. Wir wohnen momentan im fünften Stock eines erdbebensicheren Hochhauses, darüber befindet sich noch eine Art Dachterrasse. Von dort hat man einen einen grenzenlosen Blick über die riesige Stadt. Ein Häusermeer, so weit das Auge reicht. Jetzt, in der Regenzeit, herrscht meistens klare Sicht, so dass man in der Ferne im Westen den Swayambhunath Stupa erkennen kann. Die Augen Buddhas sollen mit seinem wohlwollenden Blick (nicht nur) die Gläubigen auf all ihren Wegen beschützen.

Die Aussicht hier werde ich vermissen. Ist schon erstaunlich, wie schnell mein kleines Herz sich für etwas begeistern kann. Bei aller Begeisterung für neue Abenteuer schmerzen all die Abschiede doch immer wieder…

Wenn man Glück hat, so wie wir letzten Sonntag, kann man im Osten sogar den Himalaya sehen. Das ist wirklich beeindruckend. Man schaut sich die Berge an, zuckt mit der Schulter und denkt, ja, okay, Berge. Bis der Blick nach oben wandert, richtig weit oben, so dass man den Kopf tief in den Nacken legen muss, und da entdeckt man die Spitze eines von tausenden Bergen des Himalayas. Die Berge sind höher als die Wolken – und das ist noch nicht mal der Mount Everest. Unglaublich!

Unglaublich sind auch die Einheimischen – nämlich unglaublich nett! Bisher hatte ich nur positive Erlebnisse. Die Leute stören sich nicht an meinen kümmerlichen Nepali Versuchen oder wenn ich sie der Einfachheit halber auf Englisch anspreche. Mit einem Lächeln gelingt hier fast alles.

Besonders herzlich wurde der Liebste beim Einstand ins Projektgebiet empfangen und sogleich mit etlichen Blumengirlanden behängt, als Ausdruck der Wertschätzung und Verbundenheit.

Die eigentlichen Chefs hier sind aber die Hunde. Tagsüber schlafen sie friedlich, liegen da wie zerzauste Stofftiere. Die anderen Verkehrsteilnehmer umfahren sie vorsichtig, wenn sie auf der Strasse ruhen.

Doch abends, wenn es dunkel wird, kommt ihre Zeit. Als zuverlässiges Wachpersonal verteidigen sie ihr Revier gegen sämtliche Eindringlinge. Seien es Menschen oder freche Artgenossen, die es wagen, unsichtbare Grenzen zu übertreten. Dann wird gebellt, als gäbs kein Morgen mehr. Das geht dann in einem vielstimmigen Kanon so lange, bis alle Menschen im Bett liegen und jeder Konkurrent vertrieben ist.

Und dann, ab fünf Uhr früh, wenn die fleißigen Nepalesen den Tag beginnen, startet das Bellkonzert aufs Neue, untermalt vom rhythmischen Ruf eines Kuckucks, der sich hier irgendwo rumtreibt.

Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen, wie auch an den durchgängig rauschenden, hupenden und klappernden Strassenverkehr. Der Verkehr ist wirklich mörderisch. Wenn mir jemand vor einem Monat gesagt hätte, dass ich hier mit dem Fahrrad rumdüsen würde, hätte ich ihn wohl für verrückt erklärt.

Auf den ersten Blick erscheint es, als gäbe es keine Regeln. Nach einer Weile durchschaut man, wie es läuft. Regel Nummer eins: nicht zurück schauen. Regel Nummer zwei: einfach drauflos fahren. In kurzer Zeit habe ich mich auch daran gewöhnt und fetzte hier wie die Locals durch die City und wage es sogar, rechts abzubiegen – was bei der Masse an Fahrzeugen und Linksverkehr jedes Mal eine Mutprobe darstellt.

So fügt sich der Verkehr relativ reibungslos bis man durch das schrille Pfeifen eines Verkehrspolizisten gestoppt wird. Denn es gibt hier keine Ampeln. Die Verkehrspolizisten stehen mit Atemschutzmasken mitten im Verkehr und schaffen es irgendwie, den Überblick zu bewahren und das Chaos zu regulieren. Auch ich sollte eigentlich mit einer Maske rumfahren, denn die Luftverschmutzung ist unübersehbar. Wenn man nach einem Ausflug in der Stadt zu Hause unter der Dusche steht, ist das Wasser schwarz. Bisher fahre ich allerdings auf kurzen Strecken lieber ohne Maske. Und man sollte nicht wie ich staunend mit offenem Mund durch die Gegend kurven, sondern darauf achten, nur durch die Nase auszuatmen. Sonst kann es schon mal passieren, dass irgendwelcher Dreck in den Mund fliegt, den man dann schleunigst wieder ausspucken muss 🙂

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Nach einem Monat hier haben wir uns dank der gründlichen Einarbeitung durch unsere Freunde Cri&Pascal super eingelebt. Ich weiß, wo ich was einkaufe, kann mein Bier schon auf Nepali bestellen und mit dem Taxifahrer um den Tarif feilschen. Wir haben sogar schon ein Lieblingsrestaurant um die Ecke und gehen regelmäßig zum Yoga.

Das Beste an der ganzen Einführung ist aber, dass wir auch gleich den Freundeskreis von Cri&Pascal geerbt haben. So führen wir nach vier Wochen bereits ein erfülltes Privatleben und treffen uns regelmäßig mit den neuen Freunden. Dadurch bekommen wir tolle Tipps und lernen gemeinsam neue Ecken kennen. So macht das Leben hier wirklich Spaß und schmälert den Verlust der Freunde und Familie am anderen Ende der Welt.

Pascal, Silv, Cri and me

So, jetzt aber muss ich mich wieder um meine Hausarbeit kümmern, ich muss packen! Denn wir ziehen um! Das nächste Mal schreibe ich dann aus der neuen Wohnung.

 

Namaste 🙂

Zurück in den Tropen

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Nervenkitzel Zugfahrt

Noch bevor der Zug zum Stehen kam drängelten die Leute gefährlich nah an die Bahnsteigkante.
Wo die ersten Passagiere aus dem einrollenden Zug hüpften, sprangen andere bereits auf, um einen Sitzplatz zu ergattern. Sie warfen eine Tasche oder Klamotte durch das Fenster auf einen Sitz, um den Platz zu reservieren.
Die Passagiere drängten nach innen oder hängten sich außen an den Türen fest. Sobald er stoppte, wurden wir von der Masse in den Zug hineingesogen.
Die ersten Sekunden lang ließen wir noch den vor uns Stehenden den Vortritt, bemerkten aber schnell, dass Höflichkeit hier fehl am Platze war. Also schoben wir uns mit unseren riesigen Rucksäcken ebenso hartnäckig und ohne Rücksicht auf Verluste voran, pressten uns mitten hinein in die schwitzende Menge aus Männern und Frauen, Kindern und Nam Verkäufern, und schafften es alle Viere in den Zug. An einen Sitzplatz war nicht zu denken. In der ersten halben Stunde konnte ich noch nicht einmal meinen Backpacker Rucksack abnehmen, so voll war der Waggon.

Nach einer Weile, als sich alle eingerichtet und einander zugelächelt hatten, gelang es mir, den Rucksack abzunehmen und in einem Gepäckregal neben mir zu verstauen, welches mir dann auch als Stehplatz diente – immerhin konnte ich so abwechselnd das eine oder andere Bein darin locker lassen, so dass ich über mehr Beinfreiheit verfügte als meine Mitreisenden. Abwechselnd mal mit der linken, mal mit der anderen Hand hielt ich mich an den Griffen über mir fest, um einigermaßen das Gleichgewicht im wild ruckelnden Zug zu behalten.
Der Liebste quoll eingequetscht aus dem Gedränge hervor, seine schiere Größe ließ ihn den anderen wohl als Baum erscheinen. Und so hängte sich eine alte Frau an seinen Ellbogen, erschöpfte Männer lehnten an seinem Rücken und dösten im Fahrtwind. Ein lang verlorenes Geräusch erfüllte die Luft. Da-damm da-damm, da-damm da-damm, knatterte der Zug über die alten Gleise.

Ich betrachtete die flache Küste mit dem aquamarinblauen Meer und seelenruhig strahlendem Himmel darüber, weit wie die Welt.
Auf dieser Stecke ereignete sich das mit mehr als 1.500 Toten schlimmste Eisenbahnunglück in der Geschichte der Menschheit, wie mein kompakter Reiseführer verriet. Hier geschah nicht nur die schlimmste Bahnkatastrophe des Landes – vielmehr eine erschütternde Naturkatastrophe, der Tsunami 2004.
Hier stockte der Morgenzug Nr. 50 von Colombo nach Matara und wurde von einer 10 Meter hohen Flutwelle gepackt. In ihrer Verzweiflung retteten sich die Überlebenden auf das vermeintlich sichere Dach und wurden dann mit voller Wucht von der dritten und letzten und höchsten Tsunamiwelle emporgeschleudert und eingesogen, nur um danach wieder ausgespuckt und zurück geworfen zu werden.
Die Urgewalt der lebendigen Verwüstung riss die Gleise heraus, saugte ganze Bäume, Dreck und Schrott und Menschenleiber auf und wirbelte sie herum wie ein erzürnter Gott.
Am nächsten Tag glitzerte das Meer wieder ruhig als sei nichts geschehen.
Überraschend schnell erholte sich das Land dank der rasch wieder zurückkehrenden Touristen von dem Schock. Aber das Entsetzen sitzt tief und es gibt zahlreiche Mahnmale.

Unvorstellbar, wie weit die Schwingungen des Erdbebens zu spüren gewesen waren, wie unfassbar weit sich die Flutwelle ausgebreitet hatte. Sri Lanka ist fast Zweitausend Kilometer von Banda Aceh in Indonesien, das am stärksten heimgesucht wurde, entfernt. Und das Zugunglück geschah im Südwesten, also auf der gegenüberliegenden Seite des Indischen Ozeans. Eine unglaubliche Kraft, die unseren Planeten umgibt. Wasser. Wo Wasser doch sonst für das Leben steht. Hier verursachte es Tod und Zerstörung.

 

Abgesehen von diesem schrecklichen Ereignis ist Sri Lanka stolz auf seine Bahngeschichte. Vor 150 Jahren schnaufte die erste Dampflok von der Hauptstadt Colombo in das rund 50 km entfernte Ambepussa. Seither wuchs das Bahnnetz Sri Lankas auf 1.500 Bahnkilometer an. Inzwischen kurven die Züge als Dieseltriebwagen durch die Gegend, ansonsten hat sich an dem alten Verkehrsmittel nicht viel geändert. So rumpeln und rattern die rostroten, pfeilgeraden Züge noch heute gemächlich durch das Land und quälen sich im Hochland die steilen Trassen hinauf. Wir aber fuhren 115 km hinunter in den Süden, um nach Galle, der viertgrößten Stadt Sri Lankas, zu gelangen.

In zweieinhalb Stunden Schunkeln und Schaukeln, hin und her wiegen, im rhythmischen Geklapper der darunter liegenden Gleise gaben wir uns der langen Fahrt hin, dann spuckte uns der Zug in Galle aus.

Nach einem geschmeidigen Ankommen in Colombo mit den Freunden aus Nepal in einem wunderbaren Apartment wollten wir zu den Stränden der Südküste, um die malerischen Buchten zum Entspannen aufzusuchen. Zunächst aber stand Kultur auf dem Programm.

Kultur in Galle

Wir landeten in einem dreihundert Jahre alten Privathaus, wo wir die ersten Gäste eines neuen Homestay in Galle waren, viereinhalb Kilometer vom Bahnhof entfernt hinein in den Dschungel.
Das Haus strahlte freundlich weiß, mit einer hellblau gestrichenen hölzernen Veranda davor. Im Inneren fanden sich grazile Mahagonimöbel, massive Holztruhen und erlesene goldene Traditionsstücke.
Am Morgen wurden wir von wilden Tieren und Vogelgesang geweckt. Zauberhafte Vögel raschelten in den Blättern, Palmhörnchen versteckten sich hinter den Zweigen und Affen durchstoben die hohen Palmenwedel.

An unserem letzten Abend kredenzte uns die Hausherrin ein köstliches srilankisches Abendmahl: Rice&Curry. Reis vom hauseigenen Reisfeld, Saucen aus Kürbis, Bananenblüten, Jackfrucht, Auberginen und roten Linsen aus dem Garten, schön scharf und würzig zubereitet. Die Singhalesen ernähren sich überwiegend vegetarisch, so auch unsere Gastfamilie. Ab da bestellte ich mir meistens Rice&Curry. Die neue Spezialität, mitsamt deren Sambol. Diese scharfe Chilisauce bestand aus hauchfein geschnittenen, kleinen roten Zwiebeln, getrockneten, pulverisierten Chilis und Zitrone. Sehr fein. Wie ich später dazu gelernt habe, gibt es das auch mit frischer Kokosnuss, dünn geraspelt.

Die Altstadt von Galle und insbesondere der alte Leuchtturm machten den besonderen Reiz der Stadt aus. Hier erhob sich einst der erste Leuchtturm Asiens, der aber im Zweiten Weltkrieg zerbombt wurde. Der Ort diente früher auch als Startpunkt für Brieftauben, die besonders eilige Post aus Europa aufnahmen und in nur 45 Minuten nach Colombo flatterten.

Reif für die Insel

Nach Galle waren wir dann reif für die Insel: endlich nur noch erholen! Wir alle brauchten so dringend Ruhe und Frieden. Quality time mit guten Freunden.
Eine Woche lang erkundeten wir den tiefen Süden mit seinen einsamen Palmenstränden, die wir so vermisst hatten. Rubinrote Sonnenuntergänge, die dem dauerknipsenden Pascal seinen neuen Spitznamen Uncle Sunset einbrachten, kristallklares Meer, köstliches Sea Food, erstaunlich gutes einheimisches Bier und gute Gespräche und Lektüre. Wunderbar.

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Must-see: Safari

Nach ausreichend Sonne und Meer und der besten Silvester-Strandparty aller Zeiten wollten wir wieder was erleben und begaben uns nach Yala zur Safari.

Gesagt, getan. Alles blitzschnell organisiert, Tangalle am Morgen verlassen und schon am Nachmittag knatterten wir mit einem Safarijeep durch den Yala Nationalpark.
Wir waren ja von Afrika verwöhnt und hatten in Kenia die Big Five gesehen. Daher gaben wir uns ganz bescheiden und hegten keinerlei Ansprüche. Wobei, ich muss gestehen, ich hoffte ja klammheimlich, einem Leoparden zu begegnen. Immerhin hat Sri Lanka in den Nationalparks eine dichte Population aufzuweisen, da sollte doch einer für uns dabei sein.

Wir drangen tief ein in einen freigegebenen Bereich des Parks. Safaris sind wohlweislich zum Schutz der Tiere nur in einem bestimmten Gebiet erlaubt. Alles andere dient als Rückzugsort und Freiraum.

So erfreuten wir uns an farbenprächtigen Vögeln, leuchtenden Pfauen, wovon ein besonders elegantes Männchen sogar sein Rad präsentierte, bestaunten Pelikane und Störche. Wir trafen auf Wasserbüffel, regungslose Krokodile, die im seichten Tümpel auf Beute lauerten, in sicherer Entfernung weidendes, graziles Wild (Sambar- und Axis- Hirsche), Mungos, die ungeschlagenen Bezwinger der Schlangen, und massige Elefanten.

Gegen Ende der Tour, als wir uns fast satt gesehen hatten an der aufregenden Flora und Fauna, eingerahmt vom aufblitzenden Meer im Hintergrund, schnatterte unser Fahrer mit einem Mal aufgeregt am Telefon. Er latschte auf das Gaspedal und schoss mit uns die rote Piste entlang. Er hatte ein Signal empfangen, da war etwas ganz besonderes. Wir sausten an riesenhaften urtümlichen Bäumen entlang hinein in das Herz der Wildnis.

Dann kündete eine Reihe parkender Safarijeeps davon, dass wir angelangt waren. Der Fahrer steuerte geschickt auf eine Lichtung zu. Da war ein Sandhügel. Darauf bewegte sich etwas.
Eine vertraute, regelmäßige Bewegung: der Leopard leckte sich die Tatze. Dann schleckte er sich mit der Zunge über das Gesicht und wandte sich demonstrativ ab. Ungeachtet seines Desinteresses betrachtete ich durch das Fernglas jeden einzelnen Tupfen, seine weißen Schnurrhaare, seine leuchtend gelben Augen, sein seidig schimmerndes Fell, seine beeindruckende Schönheit.

Er ließ sich von dem Tumult um seine Anwesenheit nicht stören. Die aufgeregten kleinen Menschlein rissen sich darum, einen Blick auf ihn werfen zu dürfen. Ihn in seiner Wildbahn, in seinem einigermaßen authentischen Lebensraum zu betrachten: der Sri-Lanka-Leopard (sie nennen ihn kotiyā) ist nur hier auf der Insel zu finden.

Wir stellten uns die Frage, ob wir ein Teil der Lösung oder des Problems waren. Wir tippten auf Lösung. Immerhin sorgen die Eintrittsgelder für den Park dafür, dass sein Leben geschützt wird. Früher wäre er als Trophäe gejagt worden.

Es ist schon bizarr: erst knallt der Mensch diese Kreatur ab, später rauft er sich darum, sie mit der Kamera zu schießen und daheim seinen Lieben als Schnappschuss zu präsentieren. Aber immerhin bleibt so eine große Population seiner Artgenossen erhalten.

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Tempel

Wir haben uns tatsächlich nur einen Tempel angeschaut, aber dieser war natürlich ganz besonders! Dort gab es sogar eine Hölle. Und ich habe erfahren, dass Buddha einst auch als Löwe wieder geboren war.

 

Teeplantagen: Lipton’s Seat

Auf 2.000 Meter Höhe – nicht gewandert, dafür mit einem sehr bequemen, italienischen Tuk-Tuk hochgeschnauft, erlebten wir eine völlig andere Klimazone. Tagsüber war es kühl, die Luft schön klar und nachts bibberten wir vor Kälte.

Dort oben haben wir den Teepflückerinnen bei der Arbeit zugeschaut und deren routinierte Bewegungen bewundert. In respektvollem Abstand lächelten wir einander zu. Ich hatte schon vorher bemerkt, dass die Teeplantagen ganz akkurat geschnitten waren. Hier habe ich erfahren, warum. Sie arbeiten im Stehen, auf Hüfthöhe schneiden sie die frischen, grünen Blätter mit einer Art Handschaufelschere. Mit jedem Schnitt landen die Blätter seitlich auf den breiten Kufen, die gerade geformt wie eine Handschaufel die Ernte sammeln. Wenn links und rechts genügend Blätter darauf sind, wirft die Frau den Inhalt der Schaufel mit einer geübten Geste nach hinten in ihren Ernterucksack. Am Ende des Tages werden die vollen Säcke abgewogen und der aktuelle Tarif ausgezahlt. Die Arbeit erscheint mühsam, doch in dieser Plantage gab es auch social welfare, mit Krankenstation und Kindergarten. Mir fiel sogar eine Hebammen Station auf.

Ganz oben erwarteten wir eine grandiose Aussicht bis zum Meer hinunter. Der Blick fiel dann nicht ganz so spektakulär aus, da es sich am Nachmittag relativ schnell zu zog. Es war aber immerhin noch weit genug, um zu erahnen, warum der gute Mann regelmäßig hier hoch gewandert war. An seinem Stammplatz sitzt tatsächlich eine Bronzefigur aus Pappmaché. Sir Lipton, dem allerdings seine Teetasse abhanden gekommen war. Natürlich haben wir dort oben Lipton Tee getrunken. Ansonsten trinke ich den nie.
Der aromatische Duft des frischen Tees in Sri Lanka, Ceylon Tee, stieg mir in die Nase, auch unten im Tal. Wir alle kennen ihn. Noch nie hatte ich ihn so eindrücklich in meiner Umgebung vernommen. Der ganze Ort war erfüllt davon.

Stadt der Edelsteine

Nach dem Abenteuer im Hochland zog es uns wieder zurück an den Strand. Wir machten uns auf zur letzten Station vor unserem Abflug, nach Negombo. Diesmal gönnten wir uns einen Fahrer mit Minibus. Ich hatte ja eigentlich vor, Ratnapura, die Stadt der Edelsteine, zu besichtigen, doch den Plan hatten wir als zu umständlich verworfen. Nach einiger Zeit machte unser Fahrer in einem Ort eine zufällige Pause. Der Liebste wollte Kaffee. Welch Koinzidenz: wir standen mitten in Ratnapura. So landeten wir im Gems Museum und kamen als Saphirjäger wieder heraus.

Ayurweda

Im Spice Garden in Koggala wurden wir zu Ayurweda Anhängern. Hochwirksame Kräuter- und Pflanzenextrakte, Öle und Salben, für jegliche Beschwerden ein Mittelchen: beruhigendes Aloe Vera für die sonnenstrapazierte Haut, wohlriechendes Sandelholz zur Behandlung von Hautunreinheiten oder eine komplexe Mischung aus Jojoba, wilden Zwiebeln und Knoblauch und anderen Substanzen zur Haarentfernung. Rein und wertvoll und verblüffend heilsam.

Macht stark und schön

Macht stark und schön

Am letzten Tag gönnten wir uns alle eine komplette Ayurveda Behandlung. Vor der Behandlung wird erst einmal der Puls und Blutdruck gemessen, das Alter erfragt und in die Augen gesehen. Ein Lächeln hilft immer.
Vor der Massage fragte mich die noch unerfahrene Shaman, ob ich Christin sei und zeigte mir ihr juwelenbesetztes Kreuz am Hals. Dann balsamierte sie mich ein mit lauwarmem Öl und begann sachte mit der Massage. Zwischendurch erkundigte sie sich bei der umherschwirrenden Leiterin des Instituts, Doc, ob sie es richtig mache. Doc war ganz eindeutig der Boss. Das fand ich gut. Anfangs eher eine Streichelmassage, traute sich Shaman langsam spürbar mehr zu. So intim, und doch so respektvoll wurde ich noch nie von einer Fremden angefasst.

Im Anschluss ging es zum Steam Bath, das Dampfbad war bereit. Wie in einem Holzsarkophag lagen Blätter eines Akazienbaums darin. Im Inneren sammelte sich der Dampf, vermischte sich mit den Blattausdünstungen und drang dann in meine Haut ein.

Stirnölguss (Shirodhara)

Stirnölguss (Shirodhara)

Danach gab es belebenden Spice Tea und dann die letzte Prozedur, der Stirnölguss (Shirodhara). Dabei tröpfelte Shaman in regelmäßigen Ergüssen gut einen Liter erwärmtes Kokosöl über meine Stirn. Zuweilen ließ sie es auch in sanften Wellen über mein Haupt gleiten. Genauso regelmäßig zog sie heimlich ihre Nase hoch. Aus Respekt putzte sie sich nicht die Nase. Durch ihr leichtes Schnüffeln wusste ich immer, wo sie sich bei mir oder im Raum aufhielt.

Kontrastprogramm

Nach einem letzten Abendmahl war unser Familienurlaub mit den Freunden auch schon vorüber und wir saßen im Flieger gen Europa.

Auf unserem Zwischenstopp in Doha hatten wir fünf Stunden bis zum nächsten Flug. Die Zeit wollten wir genießen und checkten uns im Spa ein. Dort spendierte mir der Liebste eine Bali Massage. Herrlich kraftvoll und auflockernd, knetete mich die Masseurin zurecht. Verspannungen weggeschoben, aufgelöst, glatt gestreichelt. Danach fühlte ich mich frisch und belebt für die Heimreise.

In Berlin erwartete uns schönstes Winterwetter. Wir waren bestens vorbereitet. Von Cri&Pascal hatten wir wunderbar geschmeidige Kaschmirschals aus Nepal zum Geburtstag bekommen. Diese wärmten ganz vorzüglich. Außerdem hatten wir natürlich warme Sachen an und griffbereit ganz oben im Rucksack verstaut.

Der Kontrast könnte nicht schärfer sein. Die gute Laune hält weiterhin an. Ich bin sehr gut im neuen Jahr und hier in Berlin angekommen.

Happy new year, allerseits! 🙂

Schreibsplitter

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Nun habe ich Euch ja ganz schön lang warten lassen. Ein Blick auf die Statistik verrät mir, dass immer noch einige Interessierte jeden Tag auf eine neue Geschichte warten. Ich weiß, ich war lange weg, dabei war ich doch nur Obstbäume retten in Berlin!

Ab jetzt gibt es wieder Futter! Ich habe mich dazu entschlossen, die Schreibleidenschaft noch professioneller anzugehen und mich bei einer Autorenschule beworben. Dort hatte man nichts besseres zu tun, als mich aufzunehmen und so gebe ich jetzt neben vergessenen Obstbäumen auch meinen eigenen Texten wieder eine Stimme.

Hier ein kleiner Auszug dessen, was mir vergangenes Wochenende eingefallen ist, als wir ausgesandt wurden, Leute zu beobachten. Im Anschluß wurden dann per Los Orte des Geschehens vergeben und die unschuldigen Menschen zu Protagonisten erkoren und jeweils einzeln in kleine Geschichten verpackt:

Im Baumarkt

Gedankenverloren blätterte Detlef in seinem Outdoor Magazin. Da stach ihm eine bunte Holzlaterne ins Auge. „Sechzig Euro! Das ist ja Wucher! So was müsste man doch selbst bauen können“, dachte er bei sich und schaute sich die Konstruktion genauer an. Dem Bild nach zu urteilen war die Lampe ganz einfach gezimmert. Ähnlich konstruiert wie ein Vogelhäuschen, nur bunt angemalt. In der Mitte eine einfache Öffnung für eine Glühbirne. „Und dafür wollen die sechzig Euro haben“, murmelte er. „Da hole ich mir doch einfach ein paar Leisten aus dem Baumarkt und hämmere das Ding selbst zusammen.“ Energisch klappte er das Magazin zu und stapfte los. Am besten erledigte er das gleich. Er blickte auf seine schwarze Armbanduhr. Der Baumarkt in Wedding hatte heute bis zwanzig Uhr geöffnet. Wenn er sich gleich auf den Weg machte, konnte er noch schnell ein paar Holzlatten holen. Passende Nägel hatte er in seinem Werkzeugkasten, das wusste er. Dann würde er noch schnell ein paar bunte Holzfarben mitnehmen, das Ding lackieren und fertig. Oh, Harry wäre begeistert, wenn Detlef ihm seine Überraschung präsentierte. So könnten sie sich auf ihrem Berliner Balkon schon gedanklich auf die große Reise nach Thailand einstimmen. Vorsichtshalber riss er die Seite aus dem Magazin und faltete das Papier sorgfältig zusammen. Er steckte es in seine linke Hemdtasche und verschloss sie mit dem Hemdknopf. Noch einmal kurz mit dem Kamm über die hellgrauen Haare gekämmt, Geldbörse und Schlüssel geschnappt und los ging’s. Forschen Schrittes stapfte er zur U-Bahn. Nur vier Stationen und schon war er da.

„Wo bitte ist die Holzabteilung?“, fragte er gleich am Eingang einen Baumarkt-Mitarbeiter. Er wollte keine Zeit mit unnötiger Sucherei verplempern. „Den dritten Gang links runter, dann ganz hinten,“ wies ihm der junge Mann den Weg. Alles klar. In der Holzabteilung angekommen holte Detlef sein Muster aus der Hemdtasche. Er brauchte nur vier schmale Latten, die konnte er bestimmt einzeln kaufen. Er blickte sich kurz um und fand das Gesuchte sofort. „Passt perfekt“, freute er sich. Da knallte etwas gegen seine Waden. Vor Schreck fielen ihm die Holzlatten runter. „Autsch, was soll das?“, entfuhr es ihm. Er wirbelte herum und sah einen schnöseligen Knaben, der offenbar nichts Besseres zu tun hatte, als im Baumarkt mit seinem bekloppten Fußball herumzuballern. „Pass doch auf, du Milchbubi!“, schimpfte Detlef. „Ey, Alter, war ja nicht mit Absicht,“ nuschelte der pubertierende Junge und schnappte sich seinen weißen Fußball mit roten Sternen darauf. „Frechheit!“, rief ihm Detlef hinterher. Diese verzogenen Jugendlichen heutzutage wissen einfach nicht, was sich gehört. Er klaubte die Holzlatten wieder auf und machte sich auf den Weg zur Farbabteilung. Regenbogenfarben, die wollte er kaufen.

Da kugelte zwischen den Regalen schon wieder der rotbesternte Fußball hervor. Am liebsten hätte Detlef dem blöden Jungen eins ausgewischt und den Fußball versteckt. Warum eigentlich nicht? Der Junge war offenbar noch auf der Suche, also packte Detlef den Ball und legte ihn in ein Regal zwischen die Stromsparglühbirnen. Da würde der freche Bengel ihn so schnell nicht finden. Er setzte seinen Weg fort und lächelte den Jungen, der ihm nun suchend entgegen kam, maliziös an. „Haben Sie meinen Ball gesehen?“, fragte der Junge nun ganz höflich. „Nein, tut mir leid, Junge, da kann ich dir leider nicht weiterhelfen“, grinste Detlef. „Gott bestraft alle kleinen Sünden gleich“, dachte er und ging beschwingt zur Kasse.

Besuch am kältesten Punkt des Universums

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Eigentlich bin ich ja eher für meine Vorliebe für wärmere Gefilde bekannt, wie etwa die Tropen und Australien. Doch dieser Einladung konnte ich nicht widerstehen: Unsere Freunde in Genf organisierten für uns einen Besuch im weltbekannten Schweizer CERN Kernforschungsinstitut. CERN steht für „Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire“, übersetzt also Europäische Organisation für Kernforschung. Die Großforschungseinrichtung liegt in der Nähe des Ortes Meyrin im Kanton Genf in der Schweiz an der Grenze zu Frankreich. Es ist eines der größten und renommiertesten Zentren für physikalische Grundlagenforschung der Welt.

Das riesige Gelände liegt idyllisch zwischen grünen Wiesen und grasenden Kühen und wirkt auf den ersten Blick eher wie eine Lagerhalle. Bereits beim Eingang ahnt man aber, dass es sich hier um etwas Besonderes handeln muss, denn ohne Besucherausweis und Personenkontrolle ist es nicht möglich, den Hochsicherheitstrakt zu betreten. Francesca, die Cousine unserer Freundin Cri, arbeitet dort als Physikerin und war gern bereit, uns ein wenig herumzuführen. Nachdem wir die Eingangskontrolle hinter uns gelassen hatten, befanden wir uns auch schon im Kontrollzentrum, wo die Ergebnisse der Untersuchungen ausgewertet werden. An einem gewöhnlichen Freitag saßen etwa zehn Wissenschaftler vor ihren Bildschirmen und starrten auf unzählige, riesige Monitore, die einzelne Ausschnitte kleinster Explosionen zeigten. Beeindruckend. Und auch ein bisschen verwirrend, denn zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht so genau, was da eigentlich genau vor sich ging.

Forschung hundert Meter unter der Erde

Ausgestattet mit Schutzhelmen und Besucherausweis fuhren wir dann mit einem Aufzug hundert Meter in die Tiefe. Wir Taucher überlegten uns derweil, ob man wohl einen Druckausgleich machen müsste, aber das war natürlich nicht nötig, weil sich ja der Druck nicht veränderte. Vor dem Zugang zum Heiligsten, dem Teilchenbeschleuniger, ging es dann zu wie bei James Bond. Francesca verschwand hinter einer Schleuse und hielt ihr linkes Auge vor einen Augenscanner. Dieser überprüfte in wenigen Sekunden ihre Pupillenmerkmale und öffnete dann eine weitere Schleuse. Francesca verriet uns, dass sie aus Spaß schon mal versucht hatten, das System auszutricksen. Sie wollte demnach mit dem Ausweis ihrer Kollegin die Schleuse durchqueren, scheiterte aber am Augenscanner. Also können Mitarbeiter tatsächlich nur mit ihrem eigenen Ausweis und nach Kontrolle ihres linken Auges die Kontrolle passieren. Wow.

Kollisionen in Lichtgeschwindigkeit

Jetzt wurde es richtig surreal. Wir überwanden mit Francescas Hilfe diese weitere Zugangskontrolle und standen in einer Halle, so groß wie eine Kathedrale. Diese beherbergte einen gigantischen Teilchen-Detektor für das weltgrößte wissenschaftliche Instrument: ein Teilchenbeschleuniger mit einem Umfang von 27 Kilometern – der LHC, Large Hadron Collider. Der LHC ist der leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger, der je gebaut wurde. Hier suchen Forscher nach den fundamentalen Gesetzen des Universums. Im CERN werden die weltweit größten und komplexesten Geräte genutzt, um die kleinsten Bestandteile der Materie zu erforschen: die Elementarteilchen.

Die Geräte, die CERN zu diesem Zweck einsetzt, sind Teilchenbeschleuniger und Detektoren. Die Beschleuniger bringen die Teilchen auf hohe Energien, bevor sie aufeinander treffen. Die Detektoren beobachten und erfassen die Ergebnisse dieser Kollisionen. Indem sie die Kollisionen von Elementarteilchen untersuchen, gewinnen die Wissenschaftler wertvolle Erkenntnisse über die Naturgesetze.

Kälter als der Weltraum

Etwa 10.000 Wissenschaftler aus 85 Nationen versuchen, die wichtigste Frage überhaupt zu beantworten: Aus was genau sind wir gemacht? Die Protonen im LHC werden auf 99,9998% der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, in zwei Teilchenstrahlen, die sich in entgegen gesetzter Richtung bewegen. Tausende sehr starker supraleitender Magnete leiten den Protonenstrahl um den riesigen Ring und bündeln sie auf einen Fleck, der kleiner als ein menschliches Haar breit ist – fertig zum Crash miteinander. Diese supraleitenden Magnete arbeiten bei -271° Celsius: kälter noch als der Weltraum. Der LHC ist das größte jemals errichtete Tieftemperatur-Kühlsystem.

Der Zusammenprall erzeugt so viel Energie, das Teilchen, die seit dem Urknall vor etwa vierzehn Milliarden Jahren ausgestorben sind, flüchtig wiedererscheinen, wie etwa das Higgs-Teilchen. Diese Ur-Teilchen überleben nur einen winzigen Bruchteil einer Sekunde, bevor sie in Schauern von bekannteren Teilchen zerfallen. Mit ultraschnellen, ultragenauen Detektoren und modernster speziell angefertigter Elektronik werten die Wissenschaftler oben im Kontrollzentrum diese Kaskaden aus. Ein gigantisches Feuerwerk winzigster Teilchen. Atemberaubend.

Das Zusammenspiel der Detektoren wirkt wie eine 12.500 Tonnen schwere Digitalkamera mit 100 Millionen Pixeln, die 40 Millionen Mal pro Sekunde ein 3-D-Bild der Kollision aufnimmt. Jede Sekunde wird insgesamt ein Terrabyte Daten erzeugt. Das ist in etwa die gleiche Datenmenge, wie die Namen und Adressen aller Menschen auf dieser Erde. Francesca hat Kollegen im Team, die ein halbes Wissenschaftlerleben lang ein einziges Bild auswerten. Unglaublich. Alle diese Daten zu verarbeiten und zu speichern ist einfach nicht möglich. Deshalb filtert die leistungsfähige Elektronik die Datensignale so, dass jede Sekunde nur die Ergebnisse von den hundert interessantesten Kollisionen gespeichert werden.

Wir hatten Glück, denn bei unserem Besuch war der Teilchenbeschleuniger aufgrund von Wartungsarbeiten geöffnet. So konnten wir einen Blick werfen in das Innerste des Teilchenbeschleunigers, wo die Teilchenkollisionen stattfinden. Von hier erhoffen sich die Wissenschaftler grundlegend neue Erkenntnisse über die Entstehung und Zusammensetzung unseres Universums. Uns hat dabei die Frage beschäftigt, ob man sich wohl eines Tages durch die Kraft der Beschleunigung an zwei Orten gleichzeitig aufhalten kann. Das ist zwar leider noch nicht möglich, wäre aber für mich eine sehr attraktive Erfindung, die ich gern nutzen würde. Könnte ich damit endlich alle Freunde auf der Welt auf einmal besuchen. Bis dahin wird aber noch eine Weile geforscht werden müssen. Wenn nicht doch aus Versehen die Befürchtungen mancher Kritiker wahr werden und ein schwarzes Loch entsteht, welches Genf, die Schweiz, Europa und schließlich die ganze Welt verschluckt, werden wir alle von den Forschungsergebnissen profitieren. So jedenfalls die Hoffnung der rund zehntausend Wissenschaftler um Francesca.

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Geburtstagsgeschenk von mir für mich

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Zu meinem Geburtstag habe ich mir dieses Jahr selbst ein Geschenk bereitet: eine Veröffentlichung im E-Book „Tausend Tode schreiben“. Ich habe eine Kurzgeschichte eingereicht, die ich ihn ähnlicher Form vor fast genau einem Jahr hier gepostet habe – ein Traum, den ich während meiner Zeit in Australien am Todestag meiner Mutter hatte. Damit hatte ich gleich eine passende Geschichte zum Thema „Tod“ parat.

Tausend Tode schreiben ist die erste Fassung eines groß angelegten Projekts. Die Idee war, dass tausend Autoren tausend kurze Texte über den Tod schreiben: Persönliche Begegnungen, wissenschaftliche Betrachtungen, Fiktion. Diese vielfältigen Texte sollen zusammenwirken als ein transpersonaler Text, der – so die Annahme – einiges über das aktuelle Bild des Todes in unserer Gesellschaft verraten wird.

Und das hier war mein Beitrag:

Die kleine barocke Dorfkirche hatte ich lange nicht mehr besucht. Als Kind war ich hier regelmäßig gewesen, hatte den goldenen Altar, die reich verzierten Putten und bunten Heiligenbilder bewundert. Oft hatte ich mir ausgemalt, wie ich als Maria mit Schwangerenbauch dringend einen Schlafplatz suchte und dann im Stall mit den Schäfchen kuscheln würde. Oder wie Jesus vom Kreuz stieg und mir tief in die Augen sah. Manchmal war ich so in meine eigenen Geschichten versunken gewesen, dass ich die Predigt verpasste und erst durch die Unruhe vor der Kommunion wieder aus meiner Gedankenwelt auftauchte. Ich war lange nicht mehr hier gewesen, war fort, in die große Stadt gezogen. Die kleine Dorfkirche war hier geblieben und öffnete ihre Pforten für mich nur noch zur Taufe und Beerdigung von Verwandten, zuletzt zur Beerdigung meiner über alles geliebten Großmutter.

Mit meinen blauen Stöckelschuhen, der engen weißen Hose und dem türkisfarbenen Spaghettiträger-Shirt bin ich, obwohl ich die Farben der heiligen Maria trage, unpassend für einen Kirchbesuch gekleidet.

Die Messe ist gut besucht, es muss wohl ein wichtiger Anlass sein. Es riecht nach Kerzen und Weihrauch. Ich stehe inmitten einer Gruppe Gläubiger, die gerade die heilige Kommunion empfangen haben. Alle tragen Schwarz. Offenbar habe auch ich das heilige Sakrament entgegengenommen, obwohl ich doch seit Jahren nicht mehr dazu gehöre. Ist das nicht Sünde? Ich bekreuzige mich, mache einen Knicks und wende mich ab, um in einer der Bänke hinter mir noch einen Sitzplatz zu ergattern. Ah, dort ist noch etwas frei, ich quetsche mich Entschuldigungen murmelnd hinein. Durch die hohen Kirchenfenster fällt Regenbogenfarbenlicht auf meine betenden Hände. Jetzt noch Engel, und ich bin im Paradies.

Der Kirchenchor stimmt ein feierliches Lied an. Ich erkenne die Melodie und singe unwillkürlich mit. Der vertraute Gesang lässt tief verborgene Empfindungen in mir aufleben. Eine engelsgleiche Stimme neben mir macht mich glücklich und zugleich traurig. Ich blicke auf meine Sitznachbarin und erkenne meine Mutter, wie sie da sitzt und strahlt – ihr blondes Haar, als wäre nie etwas gewesen, als hätten wir nicht auch sie hier beerdigt. Neben ihr mit hell leuchtender Aura meine Oma, sie sagt meinen Namen und dass sie sich freut, mich zu sehen. Ihr gütiges Lächeln breitet sich aus, über mir, wie eine Umarmung. Ich wache auf.

Der Eichhörnchen-Sommer

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Eigentlich hätten wir beleidigt – oder treffender: angepisst – sein müssen. Der Regenradar hatte eigentlich angezeigt, dass der Regen sich verpissen würde. Die Optimistinnen waren zuversichtlich, beide sahen Licht am Horizont. Unverändert regnete es weiter – oder nein, wandelte sich der Platzregen nicht gerade in Sprühregen?

Auftritt Eichhörnchen: „Achtung Achtung, die Mundräuber sind wieder da“, schien es eilig seinen Kollegen in den umstehenden Bäumen und Sträuchern zuzurufen. Mit einem Satz sprang es flink einen halben Meter den Stamm der vor uns stehenden Ulme empor, machte einen Ausfallschritt und flitzte in abgehackten Bewegungen weiter zum nächsten Stop. Magda und ich hielten inne. Als hätte es sich nur unserer Aufmerksamkeit vergewissern wollen, rannte es zielstrebig zur Bühne, einem kleinen Treppenaufgang, einer Empore gleich. Dort fand es seinen Schaut-mich-an-Platz und posierte wie ein Show Girl. Wir juchzten vor Wonne. Die rote Diva vollführte eine verführerische Pose á la Uma Thurman in Pulp Fiction. Gekonnt schwang sie ihre puschelige rote Stola um ihre Hüfte und deutete ein Schütteln an. Ein Tropfen war von einem Blatt auf ihr Haupt gefallen, so dass eine funkelnde Krone aus Sprühregen ihre Stirn veredelte. Es blickte uns direkt in die Augen, deutete eine verstohlene Verbeugung an und putzte sich possierlich, womit es ihr Publikum zu freudigem Jubel anstachelte.

In uns hatte es wahrlich sein Publikum gefunden. Obwohl unsere heutige Mundraub-Tour buchstäblich ins Wasser gefallen war, waren wir vermutlich die einzigen Menschen, die in diesem strömenden Regen so glücklich und frohgemut kicherten.

Nicht einmal an einem verregneten Morgen wie diesem, an dem kein einziger Kunde erschien, geschweige denn abgesagt hatte, verloren wir unsere gute Laune. Mit kaum jemand stehe ich so gern im Regen wie mit Magda. Wir fragten uns, was wir hier eigentlich taten. Es war zehn Uhr morgens an einem Samstag, der Regen hielt unvermindert an. Wir waren beide freiwillig früh aufgestanden, um scheinbar interessierten Städtern, die heute lieber im Bett liegen blieben, vergessene Obstbäume zu zeigen. Und wofür? Für diesen Eichhörnchen-Tanz!

Zur Belohnung stellte sich die rote Zora auf ihre Hinterbeinchen, ließ stolz sein weißes Unterkleid aufblitzen und leckte sich dabei herzallerliebst am Pfötchen. Magda und ich jubilierten verzückt. „Oh, bist Du süüüüß“, gurrten wir gleichzeitig. Als Zugabe warf es uns noch einen kessen Blick zu, nahm einen eleganten Bogen den Hügel hinab, sprintete gewitzt über die Straße – von unseren fiebrigen Ausrufen begleitet – und verschwand hinter einem parkenden Auto im Buschwerk.

Ich fragte mich, wer wohl sonst heute eine so zufällige und doch so naheliegende Begegnung mit einem Eichhörnchen mitten in der Stadt hatte? So etwas erlebte man wohl nur bei einer Mundraub-Tour. „Sinnliche Naturerlebnisse erfahren“ – oh ja. „Die Stadt ist Dein Garten“ – absolut. Gewiss haben manche Gartenbesitzer noch gar nicht bemerkt, dass Eichhörnchen ein blitzweißes Bäuchlein besitzen.

Dabei war dies nicht unsere erste Begegnung mit einem roten Baumgesellen. In diesem Sommer hatten wir bereits zahlreiche fröhliche Erlebnisse mit den süßen „Eichkatzln“. Es war erst zwei Wochen her, da stand Magda vor einem Haselnussbaum und erklärte, wir Mundräuber befänden uns zeitweise in Konkurrenz mit den Eichhörnchen, da knallte ihr ein frecher Vertreter der Gattung zur Bestätigung ihrer Aussage eine Nuss auf die Stirn. Ähnliches erlebten wir in Lichtenberg, wo wir gerade vor einer rosa Haselnuss verweilten. Da sauste ein kleiner roter Bote durch die sommerlich sattgrünen Blätter, um schnell seine Beute vor den Mundräubern zu verstecken.

So intensiv wie in diesem Mundraub-Sommer habe ich Eichhörnchen nie erlebt. Als ich im Frühjahr von meiner Reise zurückkehrte, ahnte ich noch nichts von all dem. Es war eine unserer ersten Radtouren, wir kamen gerade vom Klettern zurück, als Magda mir von ihrer Idee erzählte, Mundraub-Touren durch die Stadt zu führen. Da ich ohnehin gerne was Neues ausprobieren wollte, schlug ich vor, wir sollten es einfach mal machen. So ist dann dieses Projekt entstanden, welches mich den ganzen Sommer über beschäftigt hatte. Es wird überraschend gut angenommen, wir hatten schon jede Menge positiver Presseberichte und auch wenn wir weit davon entfernt sind, davon schon richtig leben zu können, sind wir doch optimistisch genug, es weiter ausbauen zu wollen.

In der Zwischenzeit laufen die Leute mit Regenschirmen auf der Straße, Radfahrer schützen sich mit Regencapes. Die Tage werden kälter und kürzer. Dennoch planen wir bereits die nächste (und letzte) Mundraub-Tour in diesem Jahr. Und im nächsten Jahr geht es dann von der Blüte über die Frucht bis zur Ernte mit neuem Schwung voran. Wir sind idealistisch, optimistisch und vielleicht auch ein bisschen träumerisch, aber wir glauben an die gute Idee und machen einfach weiter. Die possierlichen Eichhörnchen sind es wert 🙂

Falls Ihr Euch wundert, warum ich nichts über das Projekt geschrieben habe – die Texte wurden hier veröffentlicht:

Die Stadt ist Dein Garten!

Rettet die Mirabellen

Exotische Früchte in Schöneberg

 

Und hier noch ein paar ausgewählte Zeitungsartikel:

taz – die Tageszeitung: „Lecker Prenzl‘ Berg

Bezirks Journal Lichtenberg: „Obsternte in Berlin: Süsse Mirabellen am Spielplatz

Berliner Morgenpost: „Wo Berlin ein Paradies für Mundräuber ist

 

 

 

 

Critical Mass – Fahrraddemo

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Wer wie ich viel mit dem Fahrrad unterwegs ist, weiß wie nervig es ist, während der Fahrt ständig alle möglichen Gefahrenherde im Blick zu haben: Autofahrer, die beim rechts abbiegen den Schulterblick vergessen und Dich dabei fast mitschleifen, Lieferwagen, die abrupt auf der Fahrradspur stehen bleiben oder Busfahrer, die so nah an Dir vorbei ziehen, dass Du fast vom Rad geweht wirst.

Jeder Radfahrer gerät immer wieder in diese stressigen Situationen. Mir passiert das fast täglich. Als Radfahrer ist es ratsam, dabei brav in die Defensive zu gehen, es bringt nichts, sich bei jeder Situation aufzuregen oder gar sein Recht einfordern zu wollen.

Als Radfahrer ist man einfach schwächer und muss sich mit seiner Unterlegenheit abfinden. Moment. Ist das wirklich so? Am Freitagabend habe ich im wörtlichen Sinn erfahren, daß es auch anders geht. Ich war bei meiner ersten Critical Mass Fahrraddemo dabei. Critical Mass ist ein Begriff aus der Physik und meint verkürzt gesagt, dass ein Teilchen allein noch keine große Wirkung erzielt, ab einer bestimmten Größe jedoch können sie eine Kettenreaktion auslösen.

Man muss kein Physiker sein, um dieses Phänomen leicht zu verstehen: Fährt ein Fahrradfahrer über eine rote Ampel, erlebt er vermutlich ein Hupkonzert oder wird vielleicht sogar angefahren. Fahren aber zwanzig, hundert oder tausend Radfahrer über die selbe rote Ampel, bilden sie eine kritische Masse und die Autofahrer müssen anhalten um alle durchzulassen. Und genau darum geht es bei der Critical Mass Fahrraddemo: Aufmerksamkeit schaffen für Radfahrer, welche im Straßenverkehr häufig diskriminiert werden. Sie ist eine Demonstration für die Rechte der Radfahrer, für mehr Radwege, mehr Rücksicht auf den Straßen, weniger Lärm und Abgase, autofreie Städte. Gleichzeitig wirft die Demo die Frage auf, wem der öffentliche Raum gehört und wie er von wem genutzt werden darf. Die ersten Fahrraddemos wurden bereits 1992 in San Francisco abgehalten, mittlerweile demonstrieren immer mehr Radler in aller Welt.

Aber dies ist keine Demonstration mit Bannern, Plakaten und Rädelsführern. Ja, sie ist noch nicht mal eine ordentlich angemeldete Demonstration mit festem Routenverlauf. Die Radfahrer demonstrieren nicht für oder gegen den Verkehr, sie zeigen damit: wir sind der Verkehr. Mit der monatlichen Fahrt wollen die Radler darauf aufmerksam machen, dass sie ebenso wie motorisierte Fahrzeuge Teil des Straßenverkehrs sind. Die riesen Radtour ist nach §27 der Straßenverkehrsordnung übrigens ganz legal: Eine Gruppe ab 15 Radfahrern bildet demnach einen Verband, die Radler dürfen zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren.

Interessant wird dies, wenn mehrere hundert oder tausend Räder eine Kolonne formieren. Das kann beispielsweise an umspringenden Ampeln bei Autofahrern zu Irritationen führen, da die Gruppe auch bei Rot noch geschlossen weiter fahren darf, wenn die ersten Teilnehmer bei Grün gestartet sind. Eine wichtige Info, die Magda & ich bei unseren Fahrrad-Touren berücksichtigen werden.

Bei der Fahrraddemo geht es aber nicht darum, Autofahrer zu ärgern oder zu behindern. Im Vordergrund steht die Intention, Autofahrer für die Rechte der Radfahrer zu sensibilisieren, verbunden mit der Hoffnung, einen Sinneswandel einzuleiten. Nebenbei macht es natürlich riesig Spaß, die Straßen für wenige Stunden mit dem Fahrrad zu erobern.

Wir trafen uns am Freitag um 20:00 Uhr am Heinrichplatz in Kreuzberg. Die Route schlängelte sich die Oranienstraße entlang Richtung Alexanderplatz, durch das Stadtzentrum in Mitte nach Friedrichshain und Neukölln, über den Mehringdamm und Ku’damm zum westlichen Zentrum.

Streckenverlauf

Es war ein grossartiges Gefühl, die dreispurige Grunerstrasse auf der linken Spur wie auf einer Autobahn entlang zu sausen. Jubelnd und begeistert klingelnd nahmen wir mit dem Fahrrad die Unterführung durch den Tunnel am Alex, die sonst nur für Autofahrer zugelassen ist. Euphorie machte sich breit. Es war eine riesige Fahrradparty mit tausend Gleichgesinnten. Einige Mitfahrer hatten Musik mitgebracht, so dass wir freihändig fahrend über manche eigentlich gefährliche Kreuzung „tanzten“.

Hier die Jubelschreie in der Unterführung verfolgen 🙂

Als wir den Ku’damm dahin radelten, verloren wir für einen kurzen Moment die Vorausfahrenden und die Fahrradkette wurde unterbrochen. Damit die wartenden Autofahrer nicht auf die Idee kamen, durchzuflitzen hielt ich mit ausgestreckten Händen vor den Autos auf der Kreuzung. „Korken“ nennt man das. Eine solche Aktion würde ich mir im regulären Straßenverkehr niemals erlauben, doch mit der Critical Mass im Rücken ging das. Ein berauschendes Gefühl.

Insgesamt fuhren wir gut 50 Kilometer in etwa vier Stunden. Da wir am Ende des Ku’damms in Halensee eine kleine Pause einlegten, verloren wir leider den Anschluss und verpassten so den Siegeszug um die Siegessäule und zum Brandenburger Tor.

Ein Grund mehr für mich, beim nächsten Mal wieder dabei zu sein. Laut Medienberichten gab es diesmal mit 3.500 Teilnehmern einen Rekord. Wie viele werden es wohl nächsten Monat sein?

https://twitter.com/MartinHeither/status/482796881878065152

Bei Minute 4:50 rauschen Magda, Max, Sascha, Turtle und ich durch’s Bild. Ganz schön viele Radler, was? 🙂

The Notwist – Konzert im Astra

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Ich wusste gar nicht, dass ich ein so grosser Notwist-Fan bin! Ich habe die Musik immer geliebt, höre sie gelegentlich immer wieder, aber irgendwie waren sie nie so präsent wie andere musikalische Helden. Trotzdem zögere ich nicht eine Sekunde, als mich mein Freund Felix fragt, ob ich ihn zum Konzert im Astra begleiten möchte.

Wir positionieren uns strategisch günstig im linken vorderen Bereich, so dass wir ausreichend Platz für Tanzbewegungen haben und schnell Bier holen gehen könnten. Was wir da aber noch nicht wissen: das Konzert ist vom ersten Augenblick an so fesselnd, dass wir nicht eine Sekunde verpassen wollen.

Nach einer netten Vorband (habe leider den Namen vergessen, waren aber gut), geht’s los. Alle begeben sich in Position als der Sound der neuen Platte ertönt. Obwohl ich noch gar keine Gelegenheit hatte, dem neuen Werk zu lauschen, klingt es vertraut. Neben mir steht ein „echter“ Fan und nimmt sich mit exponiertem Gezappel für mein Gefühl etwas zu viel Raum. Ich verstecke mich neben Felix, er muss das jetzt ausbaden. Ich nehme ein Bad in der Menge. Das Astra wogt rhythmisch auf und ab, hin und her.

Klanggemetzel und Elektrogefrickel reiht sich an melancholisches Gejaule und ist gleichzeitig ausgewogen verpackt in ein großartiges, ja bombastisches Konzert, das augenscheinlich für gigantische Festivals konzipiert wurde und nun die paar hundert frenetisch jubelnden Berliner im Astra aufputscht. Ich fühle mich wie auf einer Zeitreise – auf einer Autobahn Jahrzehnte vor und zurück.

Wo wart Ihr vor 12 Jahren, wo war ich? Obwohl wir uns nicht persönlich kennen, verbinden mich intensive Klangstunden mit The Notwist. Ich lache und weine gleichzeitig. Mittlerweile tanze ich ausgelassen neben dem Ausdrucktänzer und nehme schwitzend ebenso viel Raum ein. Unmöglich, hier nicht durchzudrehen. Mir war gar nicht bewusst, dass es so eine Musik noch gibt, ein wunderbar verquerer Mix aus 90er, Zweitausender und aktueller Elektronik. Nach gefühlt einem Jahrzehnt musikalischer Reise kündigt Sänger Markus Acher das letzte Lied an. Das Publikum pfeift widerwillig. Und so bleibt es dann auch nicht beim letzten Lied. Nach der obligatorischen Zugabe wollen wir immer noch nicht wahrhaben, dass dies das Ende sein soll und pfeifen, kreischen, jubeln und grölen so lange, bis es eine weitere Zugabe gibt. Nach über zwei Stunden sind wir dann alle ausgelaugt und befriedigt und die Musiker dürfen die Bühne schließlich doch verlassen. Da bedankt sich der Sänger artig und ich denke mir: DANKE an Euch, dass es Euch gibt, liebe Notwists!

Wir schweben raus und wissen: wir sind die grössten Fans! 🙂

Wer wissen will, wie sich das anfühlt, hier ist der Stream zum aktuellen Album. In echt ist das alles noch toller! Ich höre den ganzen Tag nichts anderes.
http://www.kraftfuttermischwerk.de/blogg/album-stream-the-notwist-close-to-the-glass/

Berlin

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„Seltsam wie das Leben rauscht und auch am alten Orte immer wieder völlig neu ist.“ *

Nach einem Monat back in Berlin ist klar: In Berlin landen und ankommen sind zwei ganz unterschiedliche Vorgänge. Während ich meinen Koffer abstelle und „Hallo Berlin!“ rufe, geht die Reise in meinem Kopf weiter. Schwebend verbringe ich die ersten Tage, irgendwo zwischen Ankommen und Erinnerungen einfangen. Meine Augen müssen sich erst wieder an die normalen Bilder gewöhnen. Frühling, Freunde, dicke Socken.

Ah, wie weich das Wasser ist. So ungechlort, man kann es sogar trinken. In Australien war das Wasser so stark gechlort, dass es im Badezimmer nach dem Duschen immer wie im Schwimmbad roch. Die Haut juckt, das Goldhaar wird spröde. In Asien würde ich niemals Leitungswasser trinken, man benutzt abgefülltes Wasser aus der Flasche zum Zähneputzen. Hier also wieder ein Stück Normalität gewonnen. Hurra.

Zu Hause duftet es köstlich nach indonesischem Essen. Meine indonesische Nichte Ery kocht lecker Rendang. Überall auf der Welt war ich in ihrer Küche Gast, jetzt leben wir in Berlin zusammen. Mitbringsel aus aller Welt beleben unsere Wohnung. Alles ist mir sonderbar vertraut und neu zugleich. Ich bin da, aber auch nicht da. Muss meine Erinnerungen mit der Realität abgleichen… Manchmal weiß ich nicht, war das in Sydney oder in Berlin?

Gleich an unserem ersten Wochenende haben wir bei einem typisch Berliner Umzug mitgeholfen. Drei Leute, zwei WGs, vier Wohnungen. Also zwei Pärchen sind zusammen gezogen, eine WG hat die Besetzung gewechselt, alles auf vier Wohnungen verteilt. Wie man das so macht, haben wir jeweils eine Kette gebildet. Das heißt, auf jedem Stockwerk steht eine Person und nimmt Kisten von jemand entgegen und gibt diese an die Person im nächsten Stockwerk weiter. Wo wir im vergangenen Jahr höchstens Koffer und Sauerstoffflaschen geschleppt haben, waren es nun ganz gewöhnliche Umzugskisten. Aber: wo wir im vergangenen Jahr höchstens einen oder zwei Freunde auf einmal zu sehen bekamen, gab es nun auf jeder Etage ein bekanntes Gesicht. Wie schön. Wie normal. Realität mit Normalität abgleichen.

Am nächsten Tag trafen wir uns zum Angrillen bei Dirk&Annika auf deren wunderschöner Dachterrasse. Die beiden haben zwei riesenhafte Katzen, sie erinnern mich an Baumkängurus. Manchmal verirren sich exotische Assoziationen in normale Alltagssituationen und formen daraus neue Bilder. Auf dem Nachhauseweg rechtzeitig zum Tatort fällt mein Blick im Treppenhaus auf die frühlingsgrünen Bäume im Hinterhof. Darin sitzt etwas Graues und ich sehe einen Koala, wie er gemütlich die saftigen Blätter mampft. Ich schüttle mich und siehe da- sind es Berliner Tauben, die mir gurrend zuzwinkern.

Wir warten auf die S-Bahn und es gibt – wie immer, möchte ich fast sagen – „Schienenersatzverkehr“. Ich stehe am Gleis und warte auf die englische Durchsage, bis mir auffällt- sie kommt nicht und ich habe den deutschen Teil ja auch schon verstanden. Beim Bäcker um die Ecke fällt mir nicht mehr der passende Name ein. „Ich hätte gern eine, äh, wie heißt nochmal diese Stange mit Kümmel drauf?“ – „Kümmelstange?!“ – „Hö hö, der war jut“, feixt der Typ neben mir. Ich werde rot.

Ich muss mich tatsächlich erst mal wieder einleben in Berlin. Und mit den damit einhergehenden stinknormalen Situationen umgehen. Wie zum Beispiel dem Verlust meiner EC-Karte. Noch ganz verträumt zwischen Raum und Zeit schwebend habe ich diese letzte Woche im Fahrkartenautomaten stecken lassen und ein findiger Bürger hat damit gleich 100 Euro von meinem Konto abgeräumt. Zur Polizei, Anzeige gegen Unbekannt erstatten, zurück zur Bank, Verlust geltend machen etc. Alles Dinge, die irgendwie gar nicht zu meiner Traumtänzer-Stimmung passen. Aber alles gut gelaufen. Geld zurück bekommen, neue Karte bestellt, alles gar nicht so schlimm.

Wir sitzen in einem Café und genießen die Frühlingssonne. Wir wollen zahlen. „Zusammen oder getrennt?“ – „Verheiratet!“, will ich einwenden, doch dann fällt mir wieder ein, so macht man das hier. „Zusammen“, sage ich und gebe brav Trinkgeld. Das englischsprachige Gedränge im Mauerpark erinnert mich an das Festival in Newtown. Allerdings herrscht hier jeden Sonntag so ein Betrieb. Noch ans Englische gewohnt, bleiben meine Augen an vorbei fliegenden Namenskreationen hängen und ich frage mich, was wohl ein „Born Back“ – Laden zu bieten hat? Ob man da wohl wieder zurückgeboren wird, und wenn ja, wohin? Da wollte der Besitzer wohl etwas internationales Flair einfangen und hat die Kurve nicht gekriegt.

So langsam gewöhne ich mich wieder an das Leben in dieser Zeitzone. Bis vor kurzem war ich noch eher in dem Modus „Wir besuchen Robert und Ery in Berlin“. Die beiden sind noch in unserer Wohnung, haben aber bereits was Eigenes gefunden und ziehen im Mai um. Bis dahin herrscht hier noch ein bisschen WG-Feeling und das passt sehr gut zum weichen Ankommen hier.

Zum neuen Leben gehört jetzt auch das Klettern. Wir waren mit MaxDa in Spandau und an der „Schwedter Nordwand“, die sich praktischerweise keine 10 Minuten von unserer Wohnung befindet. Mich bis zum Gipfel hochkämpfen, dabei auch mal abzustürzen und trotzdem weiterzumachen, fühlt sich gut an. Mit solchen Aktionen halte ich die schönen Erinnerungen des letzten Jahres lebendig und betrachte die Welt trotz aufgeschürfter Knie mit einem Siegerlächeln.

Berlin erfindet sich immer wieder neu und ich bin dabei.

* Zitat von Karl Foerster, an der Schönhauser Allee entdeckt

 

Istanbul

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Bevor wir endgültig nach Hause reisen, geben wir uns noch etwas Kültür in Istanbul. Wir finden es eine gute Idee, zum Abschied symbolisch die Brücke von Asien nach Europa zu überqueren.

Asien-Europa

Damit wir wieder ein paar Insidertipps abstauben können, haben wir uns in einer WG im zentralen Stadtteil Beyoğlu eingemietet. Wir wollen auf jeden Fall die Hagia Sophia besichtigen, darüber hinaus gibt es keinen festen Plan.

Daher nehmen wir gern die Vorschläge unserer temporären Mitbewohnerinnen an. So erhalten wir beispielsweise den wertvollen Hinweis auf das gemütliche Frühstückscafé Privato. Auf dem Weg dorthin begegnen uns überall wunderschöne, gut genährte Katzen. Ich fühle mich gleich wie im Katzenparadies und Istanbul nimmt auf meiner privaten Skala der schönsten Städte der Welt sofort einen der vorderen Plätze ein. Aber auch ganz unabhängig davon ist Istanbul eine überwältigende, prachtvolle und natürlich geschichtsträchtige Stadt.

Ich liebe Städte am Wasser. Möwen kreisen kreischend über uns, eine steife Brise weht uns um die Ohren und wieder erklingen wohltönend die Gebetsrufe. Der grelle Kontrast zwischen strahlend weißen Gebäuden und tiefblauem Meer kneift in den Augen. Auch hier beherrscht eine friedliche Koexistenz schreiender Gegensätze die Szenerie. Frisch gefärbte Blondine im engen Rock steht neben verschleierter Muslima an der Straßenbahnhaltestelle. Einsturzgefährdeter Altbau bröckelt Geröll auf Neubaufassaden. Enge, unscheinbare Gassen münden in dichtbefahrene Boulevards. Gentrifizierungsgegner vom Taksim Platz tummeln sich friedlich mit Shopping Victims in der İstiklâl Caddesi (Fußgängerzone).

Auf dem höchsten Berg der Stadt eröffnet sich ein atemberaubender Ausblick über die Millionenmetropole. Ein gigantisches Häusermeer erstreckt sich uferlos zwischen Schwarzem und Marmara Meer mit dem Goldenen Horn an der Spitze. Der Blick wandert von Kontinent zu Kontinent und reicht weit über den Horizont hinaus. Dazwischen goldene Katzen, süsses Baklava und anmutige Frühlingsblumen. Traumhaft!

Am Abend falle ich erschöpft von all den Eindrücken todmüde ins Bett. Nach drei Tagen intensiver Stadterkundung haben wir uns akklimatisiert und den Jetlag unseres letzten Langstreckenflugs verarbeitet. Mit diesem letzten Stopp findet unsere Reise ihren krönenden Abschluss und ich bin endlich bereit, wieder nach Hause zu fliegen.

Hallo Berlin!

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