In Laos krähen die Hähne anders. „Ki-kieri-kik“ stösst der Nachbarshahn seine Fanfare aus, mit der Betonung auf der zweiten Silbe. In Laos’ beschaulicher Hauptstadt Vientiane sind selbst die Hühner entspannter als anderswo. Wir besuchen endlich unseren Mann in Laos, Uwe, mit seiner liebreizenden Familie. Nach drei Jahren wurde es wirklich höchste Zeit für ein Wiedersehen.
Wir sagen sabaidee (Hallo) zu dieser Hochhaus freien Metropole, der wohl lässigsten Hauptstadt in Indochina, wenn nicht sogar ganz Asiens. Mit seinen französischen Straßenschildern, Baum gesäumten Alleen, weiß getünchten Kolonialgebäuden und farbenfrohen buddhistischen Tempeln an jeder Ecke, ist die Stadt Sinnbild für das Aufeinandertreffen von Ost und West und zugleich Ausgangspunkt unserer Laos Erkundungsreise.
Ungewöhnlich für eine südostasiatische Stadt erscheint uns vor allem der kaum als solcher zu bezeichnende Straßenverkehr. Es ist selbst an gewöhnlichen Arbeitstagen so ruhig, dass uns Vientiane nach dem hektischen Trubel in Yogya wie ein etwas zu groß geratenes Dorf erscheint. Offenbar bevorzugen die Einwohner sowieso Tuk Tuks, Mopeds oder Fahrräder, denn kommt es zu den Stoßzeiten doch mal zu kurzen Staus, sitzen in den seltsam neuen SUVs meist Farangs (sprich „Falang“; Spitzname für nicht-asiatische Menschen) am Steuer. Schrottkarren gibt es wohl nicht in diesem Land.
Wenn die Sonne abends glühendrot in den Mekong eintaucht, dazu die Hammer-und-Sichel Fahne des Kommunismus sanft im Abendrot tänzelt, fühle ich mich wie aus der Zeit gefallen. An der Flusspromenade führt eine sozialistisch getrimmte Körperertüchtigungsexpertin zu wummerndem Bass wilde Tanzschritte vor, die im Westen der 1980er Jahre unter dem Stichwort Aerobic eine ganze Generation ins Schwitzen brachten.
Hier stimmen erst zehn, dann zwanzig, dann unzählige Anhänger der Popgymnastik in den rhythmischen Tanz mit ein, bis die ganze Uferpromenade wie einst zur Loveparade in Berlin ihre Hüften schwingt. Auch ein paar Touris machen mit. Nein, nicht wir. Wir sitzen auf der Dachterrasse der beliebten Bor Pen Nyang Bar, wippen mit den Füssen und trinken das überzeugend leckere Beer Lao, eine laotische Institution, wenn man so will, und betrachten die Szenerie von oben.
Gleich neben den zappligen Tänzern bauen Händler gemächlich ihre Stände für den Nachtmarkt auf. Was auf den ersten Blick wie ein schreiender Gegensatz wirkt, zeigt die friedliche Koexistenz laotischer Extreme.
Dass die Laoten ihren ganz eigenen Kopf haben bei der Verwirklichung ihrer Vorstellungen von Moderne, zeigt sich eindrucksvoll am Patouxai. Das Siegestor wurde 1962 nach seinem Vorbild auf dem Place Charles de Gaulle in Paris zum Gedenken an die Toten des Unabhängigkeitskrieges errichtet.
Der verwendete Zement stammt aus einer Spende der Amerikaner, die damit eigentlich den Bau eines neuen Flughafens unterstützen wollten. Dieser unverhoffte Zementsegen wurde allerdings kurzerhand für einen neuen Prunkbau umdisponiert. Weil das Ergebnis am Ende dann doch nicht so elegant ausfiel wie erhofft, erhielt das Werk ganz offiziell den Kosenamen „Betonmonster“. Von seiner Spitze bietet sich ein herrlicher Ausblick über Vientiane. Ich finde es immer ganz hilfreich, gleich in den ersten Tagen an einem neuen Ort den höchsten Punkt zu besuchen, weil ich mich so besser orientieren kann.
Ein beliebtes Ausflugsziel ist auch der “Buddha Park” Xieng Khuan etwa 28 Kilometer südlich der Stadt. Der Park wurde 1958 von einem Mönch namens Luang Pu Bunleua Sulitat als Spirit City gegründet, um Buddhismus und Hinduismus sichtbar miteinander zu verknüpfen. Darin finden sich über 200 teil sehr bizarre Statuen von Göttern, Dämonen und anderen Figuren. 1975 flüchtete Sulitat mit tausenden weiteren Laoten vor den Pathet Lao nach Thailand. Gleich auf der anderen Seite des Mekong baute er später einen weiteren Buddha-Park.
Buddhapark
Hammer und Sichel
Mönchskutten
Betonmonster
Patouxai
Popgymnastik
Pudel
Sonnenuntergang
Mit dem Nachtbus verschlingen wir die 339 km nach Luang Prabang. Als gelte es einen Rekord zu brechen, wirft sich der Bus schnaufend in jede noch so scharfe Kurve und wirbelt seine liegenden Insassen und Gepäck umher. Ich kann nicht gerade behaupten, bei der zwölfstündigen hin und her Schaukelei friedlich schlafen zu können. Doch wir wollten es ja wie anständige backpacker auf die harte, weil günstigste, Tour.
Im Morgengrauen schälen sich schroffe Karstberge aus dem Nebel. In weiches Licht gehüllt wirken sie wie zarte Riesen, die sich den Traum aus den Augen wischen. Allein für diesen Anblick lohnt sich die anstrengende Bustour! Morgens um sechs schiebt sich schließlich der erschöpfte Reisebus in den Busbahnhof der alten Königsstadt Luang Prabang. Schnell umringen uns tüchtige Tuk Tuk Fahrer, schnell verhandeln wir den Preis und ebenso schnell sausen wir in die Innenstadt.
Über dem Mekong wabern schwere Nebelschleier, die der Stadt eine mystische Atmosphäre verleihen. Wir sitzen bei einer heißen Tasse Café Lao am Mekong und frösteln. Es ist empfindlich kühl hier oben im Norden. Das Hotelzimmer ist noch nicht bereit, deshalb sitzen wir auf der Terrasse und beobachten, wie die Stadt erwacht.
Einen solch gigantischen Fluss wie den Mekong hatte ich mir viel reißender vorgestellt. Fischerboote gleiten in den sanften Fluten vorbei. Ein junger Mann tritt auf die Bohlen, bückt sich und putzt seine Zähne mit einer Kelle Flusswasser. Ein kleiner Mischlingshund mit übergestreiftem Hemdchen passiert vor einer Mopedfahrerin mit Mickey-Mouse-Ohrenschützern die Straße. Leise lächelnd huschen Mönche in ihrer traditionellen orangen Kutte vorbei und verschwinden im Irgendwo. Ich frage mich, ob ich im Bus doch einen schönen Traum gefunden habe.
Sobald wir unser Gepäck verstaut haben, schütteln wir alle Müdigkeit ab, denn jetzt gilt es, dieses Juwel zu erkunden. Mit seinem milden Klima und den europäisch angehauchten Häusern erinnert mich Luang Prabang an Frankreich oder die Schweiz. Sobald wieder ein knallbuntes Tuk Tuk vorbei flitzt, ist der Eindruck verflogen.
Das Stadtzentrum wird durch den Mekong und einem seiner Nebenflüsse, dem Nam Khan, umarmt und befindet sich somit auf einer Halbinsel. Es dauert nicht lange, bis wir feststellen, warum die Stadt dem UNESCO Weltkulturerbe angehört. Bei unserem Spaziergang durch die Straßen unter der Morgensonne lugen immer wieder goldene Tempelspitzen der zahlreichen Wats (Tempel) hervor. Das frische Grün der üppigen Bäume kontrastiert fröhlich mit dem auffälligen Orange der unzähligen Mönche, die hier ihre Tradition noch ausleben. Der berühmteste Tempel der Stadt, Wat Xieng Tong, hat eine geheimnisvolle Anziehungskraft. Man muss kein Buddhist sein um die Magie des Ortes zu spüren.
Bei Sonnenaufgang versammeln sich hier die Mönche zur täglichen Almosenzeremonie. Sie ziehen gemeinsam los und geben damit der Bevölkerung die Gelegenheit, durch eine Essensspende etwas Gutes zu tun, um im nächsten Leben vielleicht eine bessere Chance auf das Nirwana zu haben. Im laotischen Theravada-Buddhismus haben sonst nur Mönche diese Chance. Ich finde den Ansatz gut, dass der Buddhismus nur den Gott anerkennt, der in jedem Einzelnen selbst ruht. Seine Weisheitslehre zu verstehen heißt, den schlafenden inneren Gott zum Leben zu erwecken. Irgendwie ein schöner Gedanke.
Die Zeremonie ist leider ein bisschen zur Touristenattraktion verkommen. Wir sind aber extra früh aufgestanden und haben die touristenleere Tempelanlage ganz für uns.
Mekong
Buddhas
Hammer und Sichel
Kolonialstil
Katze
Nam Khan
Sonnenuntergang
Sonnenuntergang
Tempel Königspalast
Wat Xieng Tong Tür
Wat Xieng Tong
Frau am Strassenrand
Wir wollen aber nicht nur Sehenswürdigkeiten im Herzen der Stadt bewundern, sondern auch ein bisschen die Umgebung erkunden. Daher unternehmen wir eine zweitägige Trekkingtour mit homestay in einem Dorf in den Bergen. Die Tour ist relativ teuer, doch wir erfahren, dass fünfundzwanzig Prozent davon an die Dorfbevölkerung geht, damit sie auch ein wenig von ihren Besuchern profitieren.
Die Wanderung des ersten Tages beginnt wieder in aller Frühe. Wir treffen uns mit unserem Guide Onchanh, der dem Volk der Hmong angehört, wie wir später erfahren. Mit ihm setzen wir in einem schmalen Einbaum über den Nam Khan und marschieren an Wasserbüffeln vorbei los.
Wir besuchen drei Dörfer indigener Volksgruppen. Das erste Dorf erreichen wir nach etwa zweieinhalb Stunden. In Houy Nock, einem Dorf der Khmu, legen wir unsere Mittagspause ein. Umringt von neugierigen Kindern verzehren wir unsere in Bananenblätter eingewickelte Reis-mit-Gemüse-Ration. Mit großen Augen beobachten die Kleinen, wie mein Liebster sich danach eine Zigarette dreht. Das ist ihnen anscheinend neu.
Onchanh erläutert uns, wie sich die Volksgruppen verteilen. Die Hmong leben oben in den Bergen, in der Hochebene die Khmu und am Flussufer des Tales die Lao. Ich kann Onchanhs Erläuterungen allerdings nur mit halbem Ohr verfolgen, da die Kinder kichernd an meinen Haaren zupfen und an meinem T-Shirt nesteln. Während ich sie nun meinerseits zu kitzeln versuche und sie vortäuschen, davonzulaufen, ruft Onchanh zum Aufbruch.
Als wir aus dem Dorf heraus wandern, sehen wir im Vorbeigehen eine Reihe an Stöcken aufgespießter Tiere. Wie sich herausstellt, handelt es sich um fette Ratten, die hier zum Trocknen hängen. Vorsichtshalber behaupte ich, dass wir Vegetarier seien, um Onchanh davon abzuhalten, uns diese Delikatesse für’s Abendessen mitzunehmen. Jetzt verstehe ich auch, warum die Kinder sich so für unser Mittagessen interessierten.
Nach drei Stunden Fußmarsch, bergauf durch den dichten Dschungel, lichtet sich der Wald. Wir sind in Long Kodk angekommen, einem Dorf der Hmong. Vor uns liegen ein paar Hütten, dicht gebaut an einen kleinen trüben See. Schwer vorstellbar, doch diese braune Kloake dient dem Dorf als einzige Wasserversorgung. Schweine suhlen sich quiekend darin. Auch wenn das Wasser vor der Verwendung abgekocht wird, finde ich es verstörend, dass hieraus wirklich das ganze Dorf seinen Wasserbedarf stillen soll. Auch die Wäsche wird darin gereinigt. Aus hygienischen Gründen -um das Wasser „rein“ zu halten- berichtet uns Onchanh, dürfen Frauen an ganz bestimmten Tagen im Monat nicht an die Wasserstelle. Ich habe Durst, doch ich schäme mich, mein frisches Wasser aus der Plastiktasche aus meinem Rucksack hervor zu zaubern und trinke jetzt lieber nicht.
Kinder in abgetragenen T-Shirts, die aussehen wie Wohlstandsmüll aus der Altkleidersammlung, unterbrechen ihr Spiel und kommen uns neugierig entgegen. Mütter mit Kleinkindern im Arm treten hervor und bauen rasch an Holztischen kleine Verkaufsstände am Wasserloch auf. Onchanh erklärt uns, dass alle arbeitsfähigen Dorfbewohner am Tage außerhalb des Dorfes tätig sind. Um ihr Einkommen aufzubessern, bieten daher die daheim gebliebenen Frauen und Kinder selbstgemachte Taschen, bestickte Tücher und Armbänder an. Weil wir niemand übervorteilen wollen, kaufen wir an jedem Stand eine Kleinigkeit. Obwohl wir damit nur einen kleinen Beitrag leisten, strahlen die Gesichter vor Freude und Dankbarkeit. Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch wandern wir weiter.
Nun befinden wir uns inmitten des Karstgebirges und es ist wirklich atemberaubend. Auf die Entfernung wirken die Berge wie eine chinesische Tuschezeichnung. Der tiefblaue Himmel bereitet den steinernen Giganten in verwaschenen Grautönen eine Bühne. Ich stehe einen langen Moment bewundernd da, ehe ich mich wieder Onchanh zuwende. Er hat in der Zwischenzeit eine Flöte aus einem dünnen Bambusrohr gebastelt und spielt darauf eine kleine Melodie.
Schließlich gelangen wir zu unserer Endstation in Houy Fri, wo wir inmitten einer Khmu Ansiedlung vor beeindruckendem Bergpanorama die Nacht verbringen wollen. Hier bereitet uns Onchanh eine kräftige Gemüsesuppe zu, dazu Bohnen und den obligatorischen Klebreis. Gut, dass wir heute Vegetarier sind, sonst hätte es zu Abend vielleicht Ratte am Spieß gegeben…
Kaum ist die Sonne hinter den Bergen verschwunden, erscheint ein überwältigender Sternenhimmel am Horizont. Da es hier im Dorf keinerlei Laternen oder andere ablenkende Beleuchtung gibt, wirken die Sterne zum Greifen nah. Dies ist einer dieser unvergesslichen Momente, der mich immer an dieses Dorf erinnern wird.
Nach einer kühlen Nacht in einem der traditionellen Holzpfahlbauten und einem schnellen Frühstück aus Reis starten wir zeitig zur nächsten Etappe. Wir wandern an einem herrlichen Wasserfall vorbei wieder zurück zum Nam Khan. Hier steigen wir in ein Kanu und lassen uns auf dem breiten Fluss heimwärts nach Luang Prabang treiben, Onchanh im eigenen Kanu voran. Eigentlich ist die Fahrt ganz einfach, nur an den Stromschnellen wird es etwas knifflig. Prompt kippen wir auch an einer etwas steileren Stelle ins Wasser. Aber wir halten tapfer unser Boot fest, schwingen uns wieder rein und setzen die Heimreise fort. Leider haben wir vergessen, uns vollständig mit Sonnencreme einzureiben, was uns einen grandiosen Sonnenbrand am Schienbein beschert. Als wir uns später erschöpft aus unseren nassen Klamotten schälen, sehen wir aus wie Zebras und lachen über unsere bleibende Erinnerung.
Alphabet
Dorf 1-Houy Nock_Kinder
Dorf 2-Long Kodk _Wasserstelle
Dorf 3-Houy Fri_Bergpanorama
Dorf 3-Houy Fri_Junge
Dorf 3-Houy Fri_Kinder
Dorf 3-Houy Fri_Sonnenaufgang
Panorama
Wasserbüffel
Abstecher nach Vang Vieng: Mountain bike fahren, Landschaft und Berge bewundern
Ballons_Frauen
Ballons_Reflexion
Bergmassiv
Brücke
Brücke_Junge
Mountain Bike Tour
Strasse
Das sportliche highlight in Thakhek: Klettern!
Ähnliche Erfahrung wie beim Tauchen, nur aus umgekehrter Perspektive. Wo wir uns beim Tauchen über unsere ersten 20 Meter gefreut haben, sind wir jetzt nach 30 Metern Aufstieg euphorisch. Kichernder Adrenalinkick!
Ich habe mich in die Berge verliebt!
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