Wenn man in Kathmandu jemand nach dem Weg fragt, wird man immer an einem Tempel entlang gelotst. Dabei gibt es hier so viele, dass sich auch die Einheimischen nicht alle Namen merken können. Kathmandu gilt ja auch als Stadt der Tempel. Es gibt kaum eine Strasse, in der nicht entweder ein Tempel, ein Stupa (eine Art Grabhügel) oder zumindest ein klitzekleiner Altar steht. So zeigt sich im Alltag überall der hinduistische oder buddhistische Glaube.
Beeindruckend sind auch die von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichneten Tempelanlagen in Bhakatpur. Dorthin haben wir unseren ersten Ausflug unternommen und einen Einblick in die hiesige Kultur gewonnen.
Beim Eintritt bekommt man eine ordentliche Bescheinigung ausgehändigt und auch im Alltag sind die Nepalesen sehr bürokratisch. Wenn man beispielsweise ein Dokument mit einem blauen, statt schwarzen Stift unterschreibt, wird es von den Behörden nicht anerkannt und man muss alles von Neuem einreichen. Recht kompliziert wird hier alles dadurch, dass man vieles persönlich erledigen muss, da es keine funktionierende Post gibt oder (noch keine) Überweisungsscheine. So wird dann z.B. die Rechnung für’s Internet im hiesigen Büro des Providers oder die Miete direkt beim Vermieter in bar bezahlt.
Da hantiert man dann immer mit Riesensummen im tausender Bereich. Die Geldscheine sind übrigens recht leicht zu merken, denn die sind nach Art und Größe der einheimischen Wildtiere sortiert. So ziert den größten Schein, den Tausender (umgerechnet etwa 10 Euro), ein Elefant. Dann kommt der Fünfhunderter mit dem Königstiger, der Hunderter mit einem Nashorn und – mein Lieblingsschein – der Fünfziger mit dem Schneeleoparden. Danach kommen die kleineren Tiere wie Antilopen oder Yaks, eine in Zentralasien verbreitete Rinderart. Auf der Rückseite ist auf allen der Mount Everest abgebildet.
Ich wünschte, ich könnte euch die Aussicht zeigen. Wir wohnen momentan im fünften Stock eines erdbebensicheren Hochhauses, darüber befindet sich noch eine Art Dachterrasse. Von dort hat man einen einen grenzenlosen Blick über die riesige Stadt. Ein Häusermeer, so weit das Auge reicht. Jetzt, in der Regenzeit, herrscht meistens klare Sicht, so dass man in der Ferne im Westen den Swayambhunath Stupa erkennen kann. Die Augen Buddhas sollen mit seinem wohlwollenden Blick (nicht nur) die Gläubigen auf all ihren Wegen beschützen.
Die Aussicht hier werde ich vermissen. Ist schon erstaunlich, wie schnell mein kleines Herz sich für etwas begeistern kann. Bei aller Begeisterung für neue Abenteuer schmerzen all die Abschiede doch immer wieder…
Wenn man Glück hat, so wie wir letzten Sonntag, kann man im Osten sogar den Himalaya sehen. Das ist wirklich beeindruckend. Man schaut sich die Berge an, zuckt mit der Schulter und denkt, ja, okay, Berge. Bis der Blick nach oben wandert, richtig weit oben, so dass man den Kopf tief in den Nacken legen muss, und da entdeckt man die Spitze eines von tausenden Bergen des Himalayas. Die Berge sind höher als die Wolken – und das ist noch nicht mal der Mount Everest. Unglaublich!
Unglaublich sind auch die Einheimischen – nämlich unglaublich nett! Bisher hatte ich nur positive Erlebnisse. Die Leute stören sich nicht an meinen kümmerlichen Nepali Versuchen oder wenn ich sie der Einfachheit halber auf Englisch anspreche. Mit einem Lächeln gelingt hier fast alles.
Besonders herzlich wurde der Liebste beim Einstand ins Projektgebiet empfangen und sogleich mit etlichen Blumengirlanden behängt, als Ausdruck der Wertschätzung und Verbundenheit.
Die eigentlichen Chefs hier sind aber die Hunde. Tagsüber schlafen sie friedlich, liegen da wie zerzauste Stofftiere. Die anderen Verkehrsteilnehmer umfahren sie vorsichtig, wenn sie auf der Strasse ruhen.
Doch abends, wenn es dunkel wird, kommt ihre Zeit. Als zuverlässiges Wachpersonal verteidigen sie ihr Revier gegen sämtliche Eindringlinge. Seien es Menschen oder freche Artgenossen, die es wagen, unsichtbare Grenzen zu übertreten. Dann wird gebellt, als gäbs kein Morgen mehr. Das geht dann in einem vielstimmigen Kanon so lange, bis alle Menschen im Bett liegen und jeder Konkurrent vertrieben ist.
Und dann, ab fünf Uhr früh, wenn die fleißigen Nepalesen den Tag beginnen, startet das Bellkonzert aufs Neue, untermalt vom rhythmischen Ruf eines Kuckucks, der sich hier irgendwo rumtreibt.
Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen, wie auch an den durchgängig rauschenden, hupenden und klappernden Strassenverkehr. Der Verkehr ist wirklich mörderisch. Wenn mir jemand vor einem Monat gesagt hätte, dass ich hier mit dem Fahrrad rumdüsen würde, hätte ich ihn wohl für verrückt erklärt.
Auf den ersten Blick erscheint es, als gäbe es keine Regeln. Nach einer Weile durchschaut man, wie es läuft. Regel Nummer eins: nicht zurück schauen. Regel Nummer zwei: einfach drauflos fahren. In kurzer Zeit habe ich mich auch daran gewöhnt und fetzte hier wie die Locals durch die City und wage es sogar, rechts abzubiegen – was bei der Masse an Fahrzeugen und Linksverkehr jedes Mal eine Mutprobe darstellt.
So fügt sich der Verkehr relativ reibungslos bis man durch das schrille Pfeifen eines Verkehrspolizisten gestoppt wird. Denn es gibt hier keine Ampeln. Die Verkehrspolizisten stehen mit Atemschutzmasken mitten im Verkehr und schaffen es irgendwie, den Überblick zu bewahren und das Chaos zu regulieren. Auch ich sollte eigentlich mit einer Maske rumfahren, denn die Luftverschmutzung ist unübersehbar. Wenn man nach einem Ausflug in der Stadt zu Hause unter der Dusche steht, ist das Wasser schwarz. Bisher fahre ich allerdings auf kurzen Strecken lieber ohne Maske. Und man sollte nicht wie ich staunend mit offenem Mund durch die Gegend kurven, sondern darauf achten, nur durch die Nase auszuatmen. Sonst kann es schon mal passieren, dass irgendwelcher Dreck in den Mund fliegt, den man dann schleunigst wieder ausspucken muss 🙂
Nach einem Monat hier haben wir uns dank der gründlichen Einarbeitung durch unsere Freunde Cri&Pascal super eingelebt. Ich weiß, wo ich was einkaufe, kann mein Bier schon auf Nepali bestellen und mit dem Taxifahrer um den Tarif feilschen. Wir haben sogar schon ein Lieblingsrestaurant um die Ecke und gehen regelmäßig zum Yoga.
Das Beste an der ganzen Einführung ist aber, dass wir auch gleich den Freundeskreis von Cri&Pascal geerbt haben. So führen wir nach vier Wochen bereits ein erfülltes Privatleben und treffen uns regelmäßig mit den neuen Freunden. Dadurch bekommen wir tolle Tipps und lernen gemeinsam neue Ecken kennen. So macht das Leben hier wirklich Spaß und schmälert den Verlust der Freunde und Familie am anderen Ende der Welt.
So, jetzt aber muss ich mich wieder um meine Hausarbeit kümmern, ich muss packen! Denn wir ziehen um! Das nächste Mal schreibe ich dann aus der neuen Wohnung.
Namaste 🙂
Pingback: Vierbeiniger Einbrecher | reisen & bleiben
Pingback: Auf einen Sprung zum Mount Everest | reisen & bleiben