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Nachdem wir bereits gute Erfahrungen auf der Insel der Ex-Menschenfresser damals auf Nias gemacht hatten, zog es uns jetzt ans andere Ende der Welt, nach Papua Neu-Guinea (PNG). Das erste Mal Ozeanien!
Dort haben wir Robert und Ery besucht, die derzeit noch in Port Moresby leben und demnächst gen Europa abreisen. Und da wir ja gerade in der Gegend sind und von Australien aus die Reise nicht so weit ist, sind wir mal für eine Woche hingeflogen.
Wir haben uns in dieser gefährlichen Stadt sehr wohl gefühlt, obwohl es schon befremdlich war, in einer blühenden Gartenanlage mit Swimmingpool und Stacheldrahtzaun herum zu leben. Bewaffnetes Wachpersonal sorgt hier für Sicherheit vor den „Rascals“, den kriminellen Banden der Stadt. Wir wollten es uns nicht nehmen lassen und sind am ersten Tag noch bei Tageslicht an den Sicherheitsbeamten vorbei auf die Strasse gelaufen, doch nach wenigen Metern wurde uns schon signalisiert, dass wir besser zurück kommen sollten. Wenn es zu einem Unfall kommt, bildet sich in sekundenschnelle eine Menschenmenge, die nicht selten dann die Unfallparteien samt deren Autos komplett auseinander nimmt. Auch sollte man, wenn überhaupt, nur in Gruppen auf die Strasse gehen. Niemals bei Nacht.
Deshalb sind wir an unserem ersten Abend in Begleitung Einheimischer in den „Gold Club“, einen Danceclub, gegangen. Dort fand ein Breakdance contest statt, mit richtig guten Tänzern. Die Musik war allerdings schrecklich, auch wenn sich die vielgerühmte DJane offenbar grosse Mühe gebeben hat, „internationale“ Musik zu spielen.
Wir waren auch in der Umgebung unterwegs, im fernab gelegenen Dorf in Goilala mit typischer Clan-Struktur. Dort haben wir mit den Einheimischen gegessen, die extra für uns Mangroven-Krabben gekocht haben. In dem Dorf leben rund tausend Menschen, allerdings sind einige davon unter der Woche in Port Moresby oder anderswo, um zu arbeiten. Es gibt zwei Kirchen, jeweils am Anfang und am Ende des Dorfes. Das Dorf endet an einem Fluss, wo die Frauen an der Wasserstelle Wäsche waschen und die Männer aus abgeholzten Bäumen filigrane Katamarane schneiden. Das Leben im Dorf erschien uns wie aus der Zeit gefallen. Abends, wenn die Sonne in den Pazifik getaucht ist, sind die wenigen Zeichen der Zivilisation unsichtbar, es gibt kein elektrisches Licht und demnach auch keinerlei störende Elektroschrottgeräusche.
Etwas entfernt vom Dorf waren wir am Strand, der vom schwarzgrauem Vulkansand dunkel gefärbt ist. Da wir einen australischen Begleiter dabei hatten, der kundig die Wellen und Strömung abgeschätzt hat, habe ich mich auch in den Pazifik getraut. Auch wenn es nicht gerade paradiesisch klares Wasser war, so habe ich doch die kühle Abkühlung in den Tropen genossen.
Bei einem Ausflug in die Berge, zum Varirata National Park, hatten wir eine atemberaubende Aussicht über Port Moresby. Dort flogen Adler und riesige wunderschöne Schmetterlinge an uns vorbei. Wenn ich mich nicht irre, habe ich dabei einen ganz besonderen Vogelfalter gesichtet, und bei Wikipedia nachgeschaut: „Der Königin-Alexandra-Vogelfalter gehört aufgrund seiner imposanten Erscheinung zu den begehrtesten und teuersten Sammlerobjekten.“ Leider ist er vom Aussterben bedroht, daher macht es mich glücklich, dass ich ihn noch lebend in freier Wildbahn angetroffen habe.
In Port Moresby selbst waren wir im Nationalmuseum, in dem neben vielen, vielen beeindruckenden Masken, Trommeln und gefiedertem Kopfschmuck auch ein traditionelles Amulett ausgestellt ist: es besteht aus dem Unterkiefer eines Menschen. Laut unseres Guides handelt es sich dabei um das Gebiss des verstorbenen Ehemanns einer trauernden Witwe, die damit ihre noch immer vorhandene Zusammengehörigkeit ausdrückte. Früher wurden Verstorbene nicht unter der Erde begraben, sondern an einer bestimmten Stelle im Wald abgelegt. Dann kamen die Hornbill-Vögel und haben das Fleisch verzehrt. Die sterblichen Überreste der Knochen wurden später wieder eingesammelt und aufbewahrt, bzw. auch zu Schmuck verarbeitet.
Bei unserer weiteren Erkundung in Port Moresby waren wir am (leider gefährlichen) Ela Beach spazieren (geht nur in Begleitung eines Einheimischen), auf den örtlichen Gemüse- und Fisch-Märkten, und haben das Dorf unseres Fahrers besucht, wo die Häuser komplett auf Stelzen gebaut im Wasser stehen. Das klingt jetzt vielleicht romantisch, war aber eher bedrückend zu sehen, in welcher Armut die Menschen dort leben — eigentlich ein slum, im Hintergrund stehen am Hang die abgeschotteten Hochhäuser der reichen Bevölkerung.
Überraschenderweise gibt es in Port Moresby sogar ein öffentliches Schwimmbad mit verschlungener Wasserrutsche, daneben ein Luna Park mit Riesenrad und einiger Vogelvoliere und Orchideen Ausstellung. Auf dem Gelände befindet sich auch das „Raggiana Bird of Paradise Avairy“, dort haben wir das Wappentier PNGs, den Paradies-Vogel, in verschiedenen Farben angetroffen, sowie sprechende Kakadoos und viele weitere bunt gefiederte Freunde und drollige Baumkängurus gesehen. Die „Dorias Tree Kangaroos“ gibt es nur in PNG, nirgendwo sonst auf der Welt. Die Tierchen sind super putzig. Da konnten die Krokodile leider nicht mithalten. Ganz enorm fand ich dagegen den giftgrünen Frosch im tropischen Garten von Ery und Robert, der sich mit seinen Saugnäpfen fest an den Zaun angepinnt hat.
Die faszinierende Exotik hat mich stark an Nias erinnert, auch was die traditionellen Riten angeht. Noch bis in die 1959er Jahre gehörte es bei vielen Stämmen zum Initiationsprozess eines jungen Mannes, einen Feind töten zu müssen. Bevor er nicht den Schädel eines Gegners „erobert“ hatte, galt kein Mann als Erwachsener. Ähnliches haben wir auch auf Nias erfahren.
Bei dem traditionellen Erfahrungsschatz war es bitter zu sehen, wie heute übermäßiger Reichtum einiger weniger, vor allem Weisser, die die Bodenschätze wie für den Westen plündern, die Strukturen zerstört und die Leute ins Elend gestürzt hat. Da PNG reich an Bodenschätzen ist, werden neben Kaffee, Kopra (Kokosnussfleisch), Kakao, Holz, Fisch, Palmöl, Gummi und Zucker auch Gold und Kupfer exportiert. Gegenwärtig ist PNG drittgrößter Goldproduzent der Welt. In jüngster Zeit hat man Öl- und Erdgasvorkommen entdeckt. Wir haben etwas ausserhalb von Port Moresby eine gigantische Erdgasförderanlage gesehen, die wirkte wie eine Kleinstadt.
Ein Kollege von Robert (Sachin) wurde an unserem letzten Abend mit gezückter Waffe überfallen. Er war um kurz nach 19 Uhr mit dem Auto in einem Supermarkt an der Hauptstrasse. Beim Herausfahren hat ein Junge seinen Weg versperrt und plötzlich standen zwei Typen rechts und links vom Auto. Der auf der linken Seite hat das Beifahrerfenster eingeschlagen, der auf der rechten Seite hat mit einer Pistole auf Sachin gezielt. Er hat im Adrenalinrausch einfach aufs Gas gedrückt und konnte abhauen. Zum Glück ist ihm weiterhin nichts passiert, aber das bestätigt leider, dass in dieser Stadt tatsächlich jederzeit das Schlimmste passieren kann.
Dennoch war es für uns großartig, wir haben sehr aufgeschlossene und freundliche Menschen kennen gelernt, die uns mit selbst gemachten Taschen, den traditionellen Billums beschenkt haben. Die Taschen sieht man überall, bei Gross und Klein, in allen möglichen Farben und Größen. Sie werden auf traditionelle Weise selbst gestrickt und sind sehr robust. Manche Frauen tragen sogar Babies darin.
Die Reise war sehr beeindruckend und hat einen bleibend guten Eindruck hinterlassen. Wir haben uns revanchiert und auf dem Strassenmarkt Bilder von einheimischen Künstlern gekauft, die wunderbar unsere bisherige Sammlung ergänzen. Allerdings muss man auch noch ergänzen, dass dort alles wahnsinnig teuer ist. Ich war im Supermarkt und habe Fotos von den Preisen gemacht, weil ich es einfach nicht glauben konnte. Die Preise sind so hoch, weil fast alles importiert wird. Echt schlimm. Aber wie gesagt, die positive Eindrücke haben definitiv überwogen und wir sind sehr froh, PNG erlebt zu haben.