Wenn mich das Leben in Entwicklungsländern eines gelehrt hat, dann wie glücklich sich alle schätzen können, in der sogenannten westlichen Welt leben zu dürfen.
Ich will das mal an einem ganz profanen Beispiel erläutern: Elektrizität.
Was passiert eigentlich, wenn der Strom ausfällt? Ganz einfach: man geht zum Hauptschalter und schaltet den Strom wieder ein. Was aber, wenn die zentrale Stromversorgung ausfällt, man niemanden erreichen oder sich gar beschweren kann und niemand weiß, wann es wieder Strom gibt?
Zuerst fällt die Waschmaschine aus, die am Vormittag eingeschaltet wurde und schon fast fertig war. Eigentlich ist es ja nicht so schlimm, wenn die Wäsche ein bisschen einweicht. Es gibt ja ohnehin nur ein Waschprogramm, kalt. Aber wie lange kann sie da drin liegen, bis sie anfängt zu stinken?
Dann gibt auf einmal der Computer Alarm: Achtung, Sie arbeiten im Reservemodus. Schließen Sie Ihren Computer an die Stromversorgung an!
Hmm. Würde ich ja gerne… Wo ich doch am Montag erst mein Abenteuer mit dem Reparieren des Netzteils für den Computer hatte. Anscheinend gibt es da irgendeinen Fluch, wonach mein Netzteil immer erst mal kaputt gehen muss. Das bescherte mir eine abenteuerliche Fahrt mit dem Taxi zur anderen Seite der Stadt.
Der Taxifahrer wusste plötzlich doch nicht mehr so genau, wo ich eigentlich hinwollte. Am Ende standen wir mit zwei Verkehrspolizisten über mein Handy gebeugt und rätselten alle vier, wie wir zu der betreffenden Stelle kommen, welche auf der mobilen Karte ganz in der Nähe rot angezeigt wurde. Irgendwie habe ich es dann geschafft, den Taxifahrer halbwegs dorthin zu lotsen und bin den Rest gelaufen.
Für gut 20 Euro wurde schließlich das Netzteil repariert und ich als alter local konnte dem Taxifahrer auf dem Rückweg den Weg weisen.
Kein Strom
Nagut, denn eben Mittagessen, ich hatte eh schon Hunger.
Der Kühlschrank ist natürlich auch ausgefallen. Mal sehen, wie lange sich die Sachen darin halten.
Das leckere Ofengemüse von gestern Abend wäre jetzt was. Aber, oh Schreck, der Ofen geht natürlich nicht. Dann eben in der Pfanne aufwärmen. Wir haben ja Gas. Doch der Ignitionherd läßt sich nicht anwerfen, denn der läuft nur mit Strom. Ich könnte es natürlich mit einem Feuerzeug versuchen, aber wer weiß, was dann wieder schief geht.
Egal, dann gibt es eben ein zweites Frühstück: jeden Tag schneide ich mir eine frische Mango in mein finnisches Müsli mit Sojamilch. Kann man auch mal mittags essen.
Dazwischen mal schnell den Weg von hier zur Hauptpost herausfinden. Es gibt nämlich nur eine zentrale Post, die mitten in der Stadt liegt. Das bedeutet dann wieder eine aufregende Fahrt mit dem Fahrrad. Aber, ach so, Internet geht natürlich auch nicht.
Nun ja, dann eben abwarten. Und den altmodischen Stadtplan nutzen.
Während ich mein Müsli knuspere, höre ich plötzlich Wasserrauschen – die Waschmaschine geht wieder ….
Dafür ist jetzt das Internet ausgefallen 🙂
Manchmal ist die Lösung eines Problems so „einfach“, dass man nur lachen kann. Wie etwa mit dem nicht funktionierenden heißen Wasser: wir hatten an allen Knöpfen rumgedrückt, sämtliche Schalter umgelegt, das Wasser lange laufen lassen, doch es wurde einfach nicht heiß. Der Boiler sprang nicht an. Also habe ich schließlich die Vermieterin gefragt. Und die kam, drehte das Wasser auf und zack – es war brühend heiß. Wie das? Nunja, sie hat einfach den Regler für den Duschkopf umgelegt und den Kaltwasserhahn aufgedreht. Natürlich waren die Regler für heiß und kalt umgedreht und dass es zwei unterschiedliche Funktionen für Duschköpfe gibt, ist wieder so eine einzigartige Logik…
Reparatur des Internets
Die „Reparatur des Internets“ war auch wieder so ein Fall für sich. Nach dem Stromausfall funktionierte das Modem nicht mehr, es stierte gefährlich rot, also hab ich gleich unseren IT Experten angerufen. Der hat für den nächsten Tag um 10 jemanden vom Internet Service Provider organisiert. Erstaunlicherweise waren sie sogar schon um 9:30 da. Repariert wurde dann nicht bei mir im Haus, sondern direkt am Kabel, hoch oben am Verteilermast an der Strasse, wo sich hunderte schwarze Kabel schlängelten. Dabei lehnte ein Mitarbeiter mit seiner Stahlleiter direkt auf dem Kabelgewirr, was wirklich äußerst gefährlich aussah, und hängte ein kleines Modem oben ein. Zauberei oder gute Götter, jedenfalls funktioniert es jetzt wieder.
Fahrradunfall
Dann erlebte ich meinen ersten kleinen Fahrradunfall. Nix Schlimmes. Aber doch eine kleine Warnung, dass ich nicht so ne dicke Lippe riskieren sollte, was den Verkehr angeht – er ist wirklich mörderisch, wie ich schmerzhaft erleben durfte.
Ich hielt mich ja schon für recht versiert im Strassenkreuzen und beobachtete die Gegenseite gut –hatte aber meine Rechte nicht mehr im Blick.
Dann ging alles ganz schnell und -zack, lag ich auf dem Boden auf der Hauptverkehrsstrasse. Noch ehe ich verstehen konnte, was überhaupt geschehen war, umringten mich bereits Leute und fragten, ob alles ok sei und halfen mir auf und versicherten sich, dass ich wirklich klar kam. Gleich wieder aufsteigen und weiterfahren. Nach ein paar Metern, es ging auch noch bergauf, realisierte ich erst, wie schnell mein Herz klopfte und die Hände zitterten. Einfach weiterfahren.
Nun ist die Lippe ist geschwollen und ich zähle meine blauen Flecken 🙂
Beim Yoga waren wir auch wieder. Extra eine Yogamatte besorgt. Und wir haben jetzt eine Dauerkarte. Die Nepalis sind ja auch sehr bürokratisch und sie lieben Ausweise. Nun ziert mein Konterfei meinen ersten Yogaausweis überhaupt! Yoga? Ich? Pilates wäre mir ja lieber. Aber es ist auch interessant, sich mal diesen Verrenkungen hinzugeben.
Mission Post
Am Freitag habe ich dann tatsächlich meine Mission erfüllt und die Post rechtzeitig aufgesucht.
Vor dem abgewrackten Gebäude im Innenhof stehen drei ganz putzige Postkästen.
Der grüne ist für die lokale Post im Kathmandu-Tal, nationale Briefe Nepals fliegen in den roten und die Auslandspost landet im blauen.
Ich ging aber hinein und habe meine Post persönlich abgegeben. Wunderbar postonkelhaft stempelte der einzige Postbeamte geflissentlich meine Postsachen und grinste mich höchst zufrieden an. So waren wir beide glücklich und haben uns freundschaftlich zugewunken.
Das wäre auch abgehakt.
Insgesamt habe ich über eine Stunde gebraucht, hin und zurück. Also so schnell werde ich dieses Abenteuer nicht wiederholen.
Das war eine ganz typische Woche. Am Wochenende waren wir wieder auf einer NGO Party eingeladen. Auch hier in Nepal herrscht ein ewiges Kommen und Gehen, so dass es immer reichlich Gelegenheiten für alle möglichen Parties gibt.
So läuft das hier eben.
Jeden Tag ein Abenteuer.
Jeden Tag eine Planänderung.
Jeden Tag Flexibilität zeigen.
Jeden Tag genießen.
Eigentlich fast wie in Berlin 😉