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Wer in die Wüste reist, denkt an Dürre und Staub. Doch wir ahnten schon, da gibt es noch mehr. Was würde uns wohl beim Wüstenfestival in Jaisalmer erwarten?

Incredible India – das Motto ist Programm

Angekommen in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi fühlen wir uns wie Aschenputtel in der Großstadt. Der indische Standard dieser Megacity mit rund 17 Millionen Einwohnern erscheint nach Nepal geradezu luxuriös: wir staunen über aalglatte Straßen, Straßenschilder und Laternen, Ampeln, moderne Autos auf der Autobahn, ein weit verzweigtes U-Bahn-Netz, am Straßenrand Springbrunnen mit farbiger Beleuchtung … Alles glänzt so schön neu. Nur leider ist die Luft noch schlimmer als in Kathmandu, dafür gibt’s elektrische Warnhinweise.

Eine Armada aus Tuk-tuks steht bereit, alle einheitlich in gelb-grün. Dazwischen bunte Fahrrad-Rikschas und Leiterwagen. Ein harter Kontrast zwischen uralten Traditionen und modernem Lifestyle, Wohlstandsbäuchen und abgewetzten Träumern auf der Straße.

Eine bettelnde Frau mit Baby im Arm klopft an die Scheibe unseres Taxis und wir stehen vor der schwierigen Frage, ob und wie viel man geben möchte.

Selfiefieber

Der Hüter der Roten Moschee ist ein harter Knochen. Da wird heftig verhandelt. Er verlangt Eintritt plus Gebühr für jede einzelne Kamera – auf dem Telefon, Fotoapparat und Laptop. Doch wir lassen uns nicht darauf ein und verhandeln nepalesisch – einfach weitergehen. Schließlich finden wir einen Kompromiss und unser Lächeln wieder.

In der Moschee schauen wir uns um und stellen fest: Selfies mit Blondie sind total angesagt. Auch der Lange ist ein beliebtes Motiv. Bereitwillig grinsen wir in fremde Kameras und landen als Souvenir auf indischen Familienfotos. Im Austausch erhaschen wir Schnappschüsse von den Einheimischen.

Über uns am Himmel kreisen Schwärme von Falken wie anderswo Tauben.

Am nächsten Tag setzen wir uns in die Bahn und tuckern im Schlafwagen nach Jaisalmer.

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Die goldene Stadt

Siebzehn Stunden und achthundert Kilometer später erreichen wir Jaisalmer, die goldene Stadt im Westen Rajastans. Den Beinamen trägt sie wegen ihrer Sandsteinhäuser, die im Sonnenlicht goldgelb leuchten.

Schon von Weitem verfängt sich der Blick am imposanten Fort, dem Wahrzeichen der Oase am Rande der Wüste Thar. Rund 4.000 Familien leben in der Festung, es ist das einzige noch voll bewirtschaftete Fort des Landes. Früher diente es als wichtiger Knotenpunkt auf der alten Seidenstraße für Karawanen auf dem Weg nach Pakistan. Heute leben die 65.000 Einwohner der Stadt vor allem vom Tourismus, dem Verkauf der berühmten Sandsteine und Strom aus den Windparks, die den Horizont säumen.

Im Farbrausch

An drei Tagen im Jahr verspricht das Wüstenfestival ein einzigartiges Spektakel. Zum Auftakt zieht eine Parade aus übervoll verzierten Kamelen, Wüstenprinzessinnen in bunten Saris, wilden Tänzern und majestätischen Bartträgern durch die engen Gassen.

Die ganze Stadt vibriert. Gesang und Getrommel, Tröten und Flöten, alles glitzert und schimmert, dazwischen das hartnäckige, durchdringende Gehupe der Tuk-tuks. Schrill und doch melodisch erklingen die Flöten, untermalt von hypnotischem Trommelwirbel und Paukenschlägen, die den ganzen Körper schwingen lassen.

Ein magischer Kanon erfüllt die Herzen, wirbelt im Wind und sendet Lebensfreude weit über die Wüste Thar hinaus in die Welt.

Mr. Desert und die Wüstenprinzessin

Das Festival-Programm gleicht einer Zeitreise. Kaum ist das schönste Kamel gekürt, halten wir den Atem an beim Kamel-Polo, feuern die Teilnehmer des Turban-Wickel-Wettbewerbs an und jubeln Mr. Desert zu, dem Mann mit dem schönsten Schnurrbart. Wie bei jedem Schönheitswettbewerb muss der Bewerber einige Kriterien erfüllen, um gewählt zu werden. Neben der traditionellen Kleidung und dem perfekt gebundenen Turban zählt auch der Gesamteindruck. Alles in allem muss er der perfekte Repräsentant für Jaisalmer und die Wüste sein. Einen imposanten Bart zu tragen hat in Indien eine lange Tradition und gilt als Zeichen von Männlichkeit. Auch deshalb tragen die Männer aus Rajasthan ihre wohlgepflegten Bärte mit Ernsthaftigkeit und Stolz zur Schau.

Schließlich entdecken wir noch eine exotische Sportart: Damen-Wrestling. Hui!

Am Abend tanzen im Mondlicht prächtig gekleidete Wüstenprinzessinnen zu Schlangenbeschwörermusik und singen Lieder aus Tausendundeinernacht.

Wie die Derwische verlieren wir uns in einem Rausch aus Farben und Klängen und fragen uns – ist es eine Fata Morgana, oder baden wir in einem Farbenmeer?

Herzlichen Dank an unseren Freund und besten Schweizer Reiseführer der Welt, Andreas Bold, der uns auf die Idee gebracht und die wunderbare Reise ermöglicht hat!