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Wenn es zu Wahlen kommt, zeigt Nepal ein neues Gesicht. Angst und Schrecken werden verbreitet, um Wähler einzuschüchtern oder gar die Wahlen zu verhindern. Wie würden wohl die ersten Parlamentswahlen unter einer neuen Verfassung in Nepal ausgehen?

Dass die Nepalesen nicht immer so friedlich sind, ist mir klar, schließlich gab es hier einen zehnjährigen Bürgerkrieg. Dennoch wollte ich an eine Bedrohung nicht so recht glauben. Und doch blieben wir am gestrigen Wahltag zu Hause und sollten das Haus nicht verlassen, weil es auf den Straßen zu Ausschreitungen kommen könnte.

In den vergangenen Tagen und Wochen vor den Wahlen, die gestern stattfanden und auf lokaler Ebene bereits Ende November, gab es immer wieder Bombenanschläge und Schießereien. Unheimlich wirkten die Konvois unterschiedlicher Parteien, die selbst in unserer kleinen Nebenstraße mit kreischenden Lautsprechern und vermummten Männern darauf vorbeirasten. Diese ließen auch abends um halb neun noch die Propagandamaschinerie ihre Parolen abspielen.

Das Militär, mit Maschinengewehren im Anschlag auf den Straßen patrouillierend, sollte für Sicherheit sorgen. Bei mir hinterließen sie ein mulmiges Gefühl.

Am Wahltag also verbargen wir uns zu Hause. Wir sollten Menschenansammlungen vermeiden, wurde uns empfohlen. Auch in den letzten Tagen war ich darauf hingewiesen worden, bei geringsten seltsamen Anzeichen das Weite zu suchen.

Bei leuchtendem Sonnenschein überlegte ich, wie dunkel doch manche Seelen sein müssen, hier Terror zu verbreiten.

Großes Staunen am Nachmittag

Am Nachmittag wollte ich es dann aber doch wissen und schnappte mir mein Fahrrad.

Bei einer Wahlstation standen hunderte Menschen Schlange. Ein großer Andrang ergoss sich über eine breite Hauptstraße. Dort fuhr ich schnell vorbei, wunderte mich aber darüber, dass die vielen Menschen sich so ungestört ausbreiten konnten.

Was ich dann auf den Straßen erlebte, raubte mir schier den Atem.

Keine Autos, keine Mopets, keine stinkenden Busse. Absolut kein Verkehr. Die Menschen flanierten mitten auf den Straßen, Kinder mit Dreirädern eroberten die Fahrbahn, sie spielten Badminton oder Ball, nur Rikschafahrer, fröhliche Menschen, Kühe und Hunde unterwegs. Ab und zu Ambulanzfahrzeuge, für den Fall der Fälle.

An einer Kreuzung, wo ich normalerweise Minuten brauche, um auf die andere Seite zu gelangen: nur zwei Schutzmänner. Die vollgestopfte Hauptverkehrsader Lazimpat: wie leergefegt. Ich erlaubte mir den Luxus, mit meinem Fahrrad freihändig in der Mitte zu fahren.

Und dann die Luft: so klar und rein, man konnte selbst die schneebedeckten Gipfel des Himalaya mitten in der Stadt erkennen. Kein Lärm, keine Abgase, kein Staub. Es fühlte sich an wie in einer anderen Zeit.

Der Wahltag endete friedlich in einer surreal leeren Stadt.

Am nächsten Tag war der Zauber vorbei und die lauten Fahrzeuge überfluteten wieder die Straßen. Die Ergebnisse der Wahlen sollen in den nächsten Tagen bekanntgegeben werden. Vielleicht gibt es ja Neuwahlen?